4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 24.04.2024, Seite 6 / Ausland
Südpazifik

Koalitionspoker auf Hochtouren

Salomonen: Wahl vor Hintergrund des Ringens zwischen USA und China im Südpazifik. Sieger Premier Sogavare bisher ohne Mehrheit
Von Thomas Berger
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Anhänger des unabhängigen Kandidaten Namson Tran im Wahlkampf in der Hauptstadt der Salomonen, Honiara (15.4.2024)

Nur für zwei der 50 zu vergebenden Sitze steht das offizielle Ergebnis noch aus, doch eines ist bereits klar: Eindeutige Mehrheitsverhältnisse gibt es auf den Salomonen nach den Parlamentswahlen am Mittwoch vergangener Woche nicht. Und noch etwas ist gewiss: Maximal drei Frauen werden in die neue Abgeordnetenrunde einziehen, zumal nur sechs Prozent der Kandidaten weiblich waren. Damit unterstreicht auch der Inselstaat, dass mehr Gleichberechtigung bei der parlamentarischen Präsenz einer Hälfte der Bevölkerung in dieser Weltregion ein Problem bleibt.

Die Salomonen sind flächenmäßig so groß wie Albanien oder Armenien, haben aber nur etwa 740.000 Einwohner. Jedoch ist das Bevölkerungswachstum hoch, die Gesamtzahl hat sich allein in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Mit einem geographisch abgelegenen Platz in den Weiten des Südpazifiks steht der Inselstaat, dessen nördlicher Teil dereinst zum kurzlebigen deutschen Kolonialreich gehörte (der Rest britisch), üblicherweise fernab der Wahrnehmung in Europa oder den USA. Das änderte sich vor einigen Jahren, als die Salomonen in herausragender Weise zum Spielball der Großmachtinteressen wurden. Nachdem sich die bisherige Regierung in den Außenbeziehungen deutlich stärker in Richtung der Volksrepublik China orientiert hatte, nehmen auf der Gegenseite die Warnungen und Avancen des politischen Westens zu. Gerade Australien ist versucht, in seinem traditionellen pazifischen »Hinterhof« sukzessive verlorenen Einfluss zurückzugewinnen. Übergeordnet haben die Salomonen auch eine strategische Bedeutung im globalen Tauziehen zwischen der alten und der kommenden Supermacht, den USA und China.

Für Washington und Canberra mag der Wahlausgang denn auch eher beunruhigend wirken. Der bisherige Premier Manasseh Sogavare hatte 2019 einen Kursschwenk vollzogen und diplomatische Bindungen, die zwischen den Salomonen – als einem von wenigen Beispielen weltweit – mit Taiwan bestanden, gegen volle Beziehungen mit der Volksrepublik China eingetauscht. Auch hat er mit Beijing vor zwei Jahren ein sicherheitspolitisches Rahmenabkommen geschlossen, das trotz eher allgemeiner Aussagen der Gegenseite ein Dorn im Auge ist. China unterstützt unter anderem die salomonischen Polizeikräfte. Mit bisher 13 sicheren Sitzen ist Sogavares OUR Party, die er erst nach der vorhergehenden Wahl aus der großen Zahl unabhängiger Abgeordneter formiert hatte, der nominelle Sieger und derzeit in der besten Ausgangsposition, in Honiara eine neue Regierung zu bilden.

Leicht dürfte das wegen der unübersichtlichen Mehrheitsverhältnisse allerdings nicht werden, Der Koalitionspoker hat gerade erst begonnen, könnte sich schlimmstenfalls noch Wochen hinziehen. Laut den jüngsten Zahlen sind auch diesmal wieder viele Unabhängige vertreten – als Gruppe momentan mit zwölf Abgeordneten auf Augenhöhe mit OUR Party. Die Auszählung zieht sich vor allem deshalb so lange hin, weil parallel auch Regionalwahlen stattfanden, ein enormer logistischer Aufwand.

Wichtigster Gegenspieler Sogavares ist der vormalige Oppositionsführer Matthew Wale von der Solomon Islands Democratic Party (SIDP), der vor der Wahl ein Bündnis mit dem Kürzel CARE schmiedete. Dazu gehört neben seiner SIDP und einem weiteren Partner vor allem noch die Democratic Alliance Party (DAP) von Expremier Rick Houenipwela (Rick Hou). Zusammen hat dieser Block derzeit ebenfalls 13 Mandate. Sieben weitere könnten dazukommen, sollte sich der besonders chinakritische Peter Kenilorea mit seiner United Party (UP) noch dem Bündnis anschließen. Kenilorea will das Sicherheitsabkommen mit Beijing umgehend kündigen. Dass es allgemein schwierig bleibt, selbst wenn Sogavare im Koalitionspoker siegt, ist daran ablesbar, dass ein weiterer »Störenfried« erneut mitspielt: Daniel Sudaini, früherer Regierungschef der von separatistischen Unruhen geplagten Insel Malaita, hat seinen dortigen Sitz gewonnen. Er hatte einst als Provinzchef in seiner Heimatregion – übrigens der einwohnerstärksten des Landes – Investitionen chinesischer Firmen explizit verboten.

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