4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 22.04.2024, Seite 11 / Feuilleton
Popkultur

Duff Beer und Donuts

Seit 35 Jahren gibt es die »Die Simpsons« – und aus diesem erfreulichen Anlass eine Ausstellung in Dortmund und einen hübschen Katalog
Von Marc Hieronimus
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»Das Internet, gibt’s den Blödsinn immer noch?« – Homer Simpson

»Die Simpsons« sind die erfolgreichste Zeichentrickserie aller Zeiten. Zum Doppeljubiläum – 70 Jahre Schöpfer Matt Groening und 35 gelbe Familie – hat der Kurator Alexander Braun im »Schauraum: Comic + Cartoon« gegenüber vom Dortmunder Hauptbahnhof Originalstoryboards, Originalentwurfsskizzen, Zeichnungen, Merchandise und farbige Folien aus der Trickfilmproduktion und einen ebenso opulenten wie informativen Katalog zusammengestellt.

Am Beginn der unwahrscheinlichen Erfolgsgeschichte stand Groenings Entschluss, nach dem Studium am Evergreen State College in die Nähe seines Idols Frank Zappa nach Los Angeles zu ziehen. Angeregt durch seinen Studienfreund und späteren Zeichnerstar Charles Burns hatte er neben seinen schriftstellerischen auch die zeichnerischen Fähigkeiten geschult und arbeitete nach einigen Schrottjobs im Kultplattenladen »Licorice Pizza«, wo er auch seine selbstproduzierten Comics über das »Leben in der Hölle« verkaufen durfte. Über die Jahre wurden die Geschichten um den Hasen Blinky so erfolgreich, dass immer mal wieder Fernsehsender wegen einer Serie anfragten, die dann aber bitte fürs Kinderprogramm hätte weichgespült werden müssen.

Als Ende 1986 Rupert Murdochs Sender Fox an den Start ging, lud einer der Programmplaner Groening zum Gespräch. Der wusste nicht, wie wichtig der Termin ist und spürte im Vorzimmer, dass er seine Blinky-Figur gerne für sich behalten wollte. Also zeichnete er kurzerhand eine Familie mit Glupschaugen und Allerweltsfamilienname in seinen Skizzenblock. Die Vornamen waren die seiner Eltern und Geschwister, viel mehr Ideen hatte er zunächst nicht. Das war die unglamouröse Stunde Null. Zwei Jahre liefen die Simpsons in Kurzfilmen in der Tracy Ullman Show, bevor sie 1989 als eigene Serie an den Start gingen und viele Menschen, darunter die Synchronsprecher der ersten Stunde, zu Multimillionären machten.

Nach über 760 Folgen ist der Kosmos der Springfielder allenfalls für eingefleischte Fans noch zu überschauen. Zahllose Prominente hatten gezeichnete Auftritte, manche gegen ihren Willen, andere, wie Michael Jackson etwa, rissen sich förmlich darum. Es gibt Figuren, Karten- und Videospiele, Sneakers, jede Menge Pullis, Käppis und dergleichen, einen Kinofilm, Comics. Selbst einige Comics der Reihe »Radioactive Man«, die innerhalb der Serie gelegentlich vorkommt, sind auf Papier erschienen. Es gab eine Zusammenarbeit mit der Nobelmarke Balenciaga, eine Folge hat Banksy gestaltet, Guillermo del Toro steuerte bei, Bill Plympton entwickelte eine Art Simpsons-Kunstfilm usw. usf.

Katalog und Ausstellung verschaffen keinen Überblick über Springfields Bevölkerung oder die Inhalte der 35 Staffeln, das leisten Internetangebote wie simpsonswiki.com, simpsons.fandom.com, simpsonspedia.net oder der »Gelbe Klub« auf Youtube. Dafür warten sie neben dem Genannten mit Zeitungstitelblättern, einem Interview mit Simpsons-Urgestein Bill Morrison und einem fünfzigseitigen »Styleguide« auf, der den selbstzeichnenden unter den Fans höchst willkommen sein dürfte. Denn darunter versteht man detaillierte Anweisungen von erfahrenen Zeichnern an Neulinge (z. B. der südkoreanischen Animationsfirma), wie die Figuren auszusehen haben und welche Probleme typischerweise auftreten. »Mitunter werden überraschende Tipps gegeben, wie sich die Grundformen der Körper besser verstehen lassen, etwa indem sie mit umgedrehten Teetassen oder einer Glühbirnenform verglichen werden. (…) Wie sieht das Auto der Familie aus oder das Saxophon von Lisa? Was trägt die Familie am Sonntag in der Kirche und was, wenn sie abends zu Bett geht?«

Buch und Ausstellung fehlt allerdings jede Spur von Kritik. Die Fangemeinde ist sich einig, dass die gelbe Familie schon mit der zehnten, spätestens zwölften Staffel ihren Biss weitgehend verloren hat, die besten Folgen fallen sämtlich in die 90er Jahre. Und doch kommt beim Betrachter die unbändige Lust auf, bei Duff Beer und Donuts ein paar Staffeln zu »bingewatchen« – ein Wort, das es wie so vieles beim Serienstart noch gar nicht gab.

»Die Simpsons: Gelber wird’s nicht«, Schauraum: Comic + Cartoon, Dortmund, bis 27. Oktober 2024. Der Eintritt ist frei.

Alexander Braun: Die Simpsons. Gelber wird’s nicht. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Panini-Verlag, Stuttgart 2024, 336 Seiten, 39 Euro

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