4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 22.04.2024, Seite 6 / Ausland
Präsidentschaftswahlen

Sheinbaum weit vorn

Mexiko: Kandidatin von Linksbündnis punktet vor Wahlen Anfang Juni. Bewerber von Gewalt bedroht
Von Sara Meyer, Mexiko-Stadt
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Obradors Wunschnachfolgerin: Claudia Sheinbaum bei einer Rede zur Wahlregistierung in Mexiko-Stadt (18.2.2024)

In Mexiko stößt man derzeit an jeder Ecke auf Wahlplakate und politische Botschaften. In Dörfern und einkommensschwächeren Vierteln weiß man nicht, wohin man schauen soll: Die politischen Kandidaten blicken von allen Seiten auf ihre Betrachter nieder – manch eine formt gar ein Herz mit ihren Händen oder zeigt sich im Schulterschluss mit Indigenen oder einer Bäuerin, um die Wählerschaft von ihren Regierungsabsichten zu überzeugen. Selbst in den Markthallen wollen die Standbesitzer zeigen, wem sie bei der Wahl am 2. Juni ihre Stimme geben werden.

Neben der Abstimmung über das höchste Staatsamt werden auch Parlaments- und Regionalwahlen abgehalten – es wird der bisher größte Urnengang in der Geschichte Mexikos. Mehr als 21.000 politische Ämter sollen neu besetzt werden. Auf nationaler Ebene werden das Staatsoberhaupt, 128 Senatoren und 500 Mitglieder des Unterhauses gewählt. Laut der nationalen Wahlbehörde INE können mehr als 100 Millionen Wahlberechtigte auf lokaler Ebene über insgesamt 20.708 Volksvertreter abstimmen, die künftig in den Gemeinden, Stadtverwaltungen und in den 32 Bundesstaaten regieren werden.

Um das Präsidentenamt kämpfen das linke Wahlbündnis »Sigamos Haciendo Historia«, dem die frühere Bürgermeisterin der Hauptstadt Mexiko-Stadt, Claudia Sheinbaum, angehört, die Unternehmerin Xóchitl Gálvez, die für die Oppositionspartei »Fuerza y Corazón por México« antritt und der Akademiker und Bundesabgeordnete Álvarez Máynez, der für die sozialdemokratische Partei »Movimiento Ciudadano« im Rennen ist. Am 1. März begannen die Kandidaten mit Konfetti und Applaus ihre jeweiligen Kampagnen. Sheinbaum liegt seither in allen Umfragen weit vorn. Von den Umfrageinstituten werden ihr gegenwärtig bis zu 59 Prozent der Stimmen zugesprochen, gefolgt von Gálvez, die auf bis zu 36 Prozent kommt. Schlusslicht ist Máynez mit Werten zwischen fünf und sieben Prozent.

Am 7. April ging der Wahlkampf in die heiße Phase: In der ersten von drei Fernsehdebatten, die das INE organisiert, mussten die beiden Kandidatinnen und Máynez – unter Zeitdruck – ihre politischen Projekte vorstellen und verteidigen. Das TV-Konzept sieht eine hohe Bürgerbeteiligung vor: Personen ab 13 Jahren sandten über 24.000 Fragen ein. Davon wählten die Moderatoren 30 aus, zu denen die Präsidentschaftsanwärter sich erklären mussten. Sechs Themen von sozialem Interesse, namentlich Bildung und Gesundheit, Kampf gegen Korruption und Transparenz, Nichtdiskriminierung sowie Minderheiten und Gewalt gegen Frauen wurden angeschnitten. Laut Umfragen schnitt Sheinbaum dabei am besten ab. Die Kandidatin des Linksbündnisses wird vom scheidenden Präsidenten Andrés Manuel López Obrador unterstützt und gehört seiner sozialdemokratischen Morena-Partei an. López Obrador hofft, dass sie sein politisches Erbe in seinem Sinne fortführen wird.

Diejenigen Zuschauer, die eine politische Diskussion und Antworten auf die Frage erhofft hatten, wie die Kandidaten ein zukünftiges Mexiko gestalten wollen, wurden enttäuscht. Es wurde viel geredet, aber nichts gesagt. Das Medium El País zählte während der eineinhalbstündigen Diskussion mehr als 70 persönliche Attacken, die von »Frau ohne Herz« bis hin zu Vorwürfen wie »korrupt« und »Lügnerin« reichten. Wichtige Themen wie Migration, Außenpolitik und Wirtschaft fanden keinen Platz in der Fernsehdiskussion. Belangen von marginalisierten Gruppen wurde kaum Beachtung geschenkt, Worte wie indigene Gemeinschaften (sechsmal) und Minderheiten wie LGBTIQ (dreimal) wurden lediglich am Rande erwähnt.

Wahlkampfzeit ist in Mexiko oft die Zeit, in der mit einer Welle von Attentaten und Gewalt zu rechnen ist: Drogenkartelle und mächtige Unternehmer ringen um eine Politik, die weiterhin zu ihren Gunsten geführt werden soll. Zuletzt traf es am Freitag den Bürgermeister der Stadt Mante, Noé Ramos. Wie die Staatsanwaltschaft des nordwestlichen Bundesstaates Tamaulipas mitteilte, wurde Ramos bei einer Wahlkampfveranstaltung niedergestochen. Tot aufgefunden wurde auch der Kommunalpolitiker Alberto Antonio García, der für das Amt des Bürgermeisters in der Ortschaft San José Independencia im südlichen Bundesstaat Oaxaca kandidierte. Er und seine Frau Agar Cancino, aktuell Bürgermeisterin der Gemeinde, waren demnach am Mittwoch als vermisst gemeldet worden. Cancino wurde am Freitag lebend auf einer Insel wiedergefunden. Schon am 1. April lag die Zahl der bis dahin getöteten Kandidaten laut der Forschungsgruppe Data Cívica bei 16, seit Jahresbeginn sind mindestens 28 angegriffen worden. Das ist selbst für Mexiko eine verhältnismäßig hohe Zahl. Neben den Präsidentschaftskandidaten werden sehr viele der 70.000 Personen, die zur diesjährigen Wahl antreten, inzwischen besonders geschützt.

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