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Aus: Ausgabe vom 18.04.2024, Seite 4 / Inland
Kriegsvorbereitung

Militarisierung der Bildung

Bayern: »Gesetz zur Förderung der Bundeswehr« im Landtag. Widerstand gegen Vorhaben der Landesregierung hält an
Von Fabian Linder
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Mit Grüßen von der CSU: Die bayerische Regierung will mehr »Zeitenwende« an Schulen und Hochschulen

Gegen das von der bayerischen Staatsregierung vorgeschlagene »Gesetz zur Förderung der Bundeswehr im Freistaat« regt sich weiter Protest. Am Mittwoch hat der Landtag in München in erster Lesung den Entwurf debattiert. Gewerkschaftsvertreter werfen der Landesregierung vor, trotz der Verbändeanhörung den Entwurf unverändert in den Landtag eingebracht zu haben. In ihrer Stellungnahme zur Verbändeanhörung äußerte sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ablehnend zu dem geplanten Gesetz. Sie appellierte an die Regierung, das Gesetzesvorhaben zu verwerfen und »Ansätze der stärkeren Militarisierung von Bildungseinrichtungen nicht weiterzuverfolgen«.

Der zuständige Staatsminister Florian Herrmann (CSU) verteidigte in der Landtagssitzung den Entwurf. Man freue sich, damit Rechtsgeschichte zu schreiben, da Bayern als erstes Bundesland ein solches Gesetz initiiert habe. Verteidigungspolitik sei zwar Bundessache, man werde allerdings dort, wo es möglich sei, die Soldaten bei der »Landes- und Bündnisverteidigung« unterstützen. Es sei »der bayerische Beitrag zur Zeitenwende«, so Herrmann, der eine »ernsthafte sicherheits- und verteidigungspolitische Zeitenwende« forderte. Die bayerische Landesregierung aus CSU und Freien Wählern gibt sich Mühe, bei diesem Thema noch scharfmacherischer als die Ampelkoalition im Bund aufzutreten.

Der Gesetzentwurf zielt vor allem auf den Bildungsbereich. Im schulischen Bereich geht es in erster Linie um ein Gebot der Zusammenarbeit von Schulen mit sogenannten Jugendoffizieren. Bereits die 2010 eingeführte Kooperationsvereinbarung auf Landesebene führte zu Protesten. Die Jugendoffiziere sind weiterhin nicht an allen Schulen willkommen. GEW und Friedensorganisationen verweisen in diesem Zusammenhang auch auf den Beutelsbacher Konsens, der im Rahmen der politischen Bildung darauf setzt, auch kontroverse Positionen zu hören. Das hieße, neben den Bundeswehr-Abgesandten auch Vertreter von Friedensorganisationen einzubinden. Schließlich sei der Einsatz von Jugendoffizieren im Klassenzimmer »durchaus parteiisch ausgerichtet« und die »politische Willensbildung der Heranwachsenden nicht neutral«, kritisiert die GEW im Rahmen der Verbändeanhörung.

Der jetzige Entwurf zielt auch auf eine »Berufsberatung für Organisationen mit Sicherheitsaufgaben« an Schulen, so Herrmann im Landtag. Die Bundeswehr solle dort regulär ihre beruflichen »Angebote« vorstellen können: Schließlich erreiche man junge Menschen dort am besten.

Für den Hochschulbereich hat Herrmann vor allem das Verbot von Zivilklauseln sowie eine verbesserte Kooperation mit Bundeswehr und Rüstungsindustrie im Auge. Diese sei als »industrielle Basis der Verteidigung, zum Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf Wissenstransfer und Fachkräfteausbildung durch Hochschulen und Universitäten angewiesen«. Obwohl es Zivilklauseln in Bayern gegenwärtig nicht gebe, wolle man präventiv Einhalt gebieten und statt dessen ein allgemeines Kooperationsgebot – in Fällen »nationaler Sicherheit« sogar eine Kooperationspflicht – einführen.

Dieses Verbot hatte die GEW bereits in der zuvor stattgefundenen Verbändeanhörung kritisiert. Es greife in »unzulässigem Umfang in die Autonomie und Selbstverwaltungsstrukturen bayerischer Hochschulen ein« und sei daher mit der Wissenschaftsfreiheit nicht vereinbar. Darüber hinaus sehe man, dass Zivilklauseln in anderen Bundesländern in die dortigen Hochschulgesetze aufgenommen wurden.

Adelheid Rupp, Landessprecherin der Linkspartei in Bayern, kritisierte, dass die Staatsregierung die Schulen dazu verpflichten will, dem Militär Raum für Werbung einzuräumen. Sie sprach zudem von einem schwerwiegenden Angriff auf die Hochschulen. Der Gesetzentwurf sei »ein weiterer Baustein zur Militarisierung der Gesellschaft«. Man frage sich, wo Gesetze zur Stärkung von Friedensforschung und Diplomatie blieben. Dieses Wissen müsse gestärkt werden, um friedliche Konfliktlösung auch in Zukunft zu ermöglichen.

Da eine Verabschiedung des Gesetzes angesichts der absoluten Mehrheit von CSU und Freien Wählern wahrscheinlich ist, riefen Gewerkschafter und Friedensaktivisten unterdessen zu weiteren Aktionen gegen das geplante Vorhaben auf. Unter anderem soll es am 1. und 8. Mai Proteste geben.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (18. April 2024 um 11:01 Uhr)
    München mal wieder die »Hauptstadt der Bewegung«. Dann dürfte diese ja auch schon bald Berlin erreichen. Wahrlich eine »Zeitenwende«!

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