junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Dienstag, 30. April 2024, Nr. 101
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 17.04.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Schwache Wachstumsaussichten

Überforderte Weltenlenker

Frühjahrstagung von IWF und Weltbank: Arme Staaten abgehängt, Aussichten düster
Von Sebastian Edinger
imago0445778624h.jpg

Seit Montag läuft in der US-Hauptstadt Washington die gemeinsame Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank. Die weltwirtschaftlichen Aussichten bleiben düster, wie die im Rahmen der Konferenz am Dienstag vorgelegte Konjunkturprognose des IWF zeigt. Bereits im Vorfeld der Zusammenkunft hatte die seit 2019 amtierende und gerade für eine zweite Amtszeit bestätigte IWF-Chefin, Kristalina Georgiewa, von »historisch schwachen Wachstumsaussichten« gesprochen. Darüber hinaus zeigt die Zusammenkunft vor allem eins: Die großen Wirtschafts- und Staatenlenker sind angesichts der vielschichtigen und miteinander verwobenen Krisen vollkommen überfordert.

IWF und Weltbank haben sich in den vergangenen Jahrzehnten strukturell kaum verändert – die Welt, in der sie US-Interessen durchsetzen sollen, aber schon. Heutzutage reicht es nicht mehr, einzelne Länder im globalen Süden in die Verschuldung zu treiben und sie dann mit Krediten und strikten Reformprogrammen auf Linie zu bringen. Längst hat die globale Wirtschaftskrise auch treue und wohlhabende Untertanen von Washington erreicht – allen voran die BRD: Für die hiesige Volkswirtschaft hatten zuletzt bereits die Bundesregierung sowie die führenden einheimischen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wirtschaftsprognosen drastisch gesenkt. Vor allem die hohen Energiepreise und der durch die Schuldenbremse selbst auferlegte Kürzungszwang machen der deutschen Wirtschaft zu schaffen.

Von Deutschland abgesehen sind es allerdings vor allem weniger entwickelte Staaten, in denen die Pro-Kopf-Einkommen schrumpfen. So heißt es in einer am Montag von der Weltbank vorgelegten Studie, die Hälfte der 75 ärmsten Länder der Welt werde immer weiter abgehängt. Bei den Einkommen gebe es in den vergangenen fünf Jahren keine Tendenz zur Angleichung mehr, sondern eine Auseinanderentwicklung. »Sie werden ärmer«, sagte Weltbank-Ökonom Ayhan Kose insbesondere mit Blick auf Staaten südlich der Sahara sowie in Süd- und Ostasien, Südamerika und der Karibik.

Zugleich offenbart die Analyse das Versagen der vermeintlichen »Weltbank-Entwicklungspolitik«. Denn die 75 untersuchten Länder sind jene, denen die US-dominierte Institution Zuschüsse oder zinsfreie Kredite gewährt. In vielen dieser Staaten, darunter etwa Afghanistan, Haiti und der Kongo, ist die Bevölkerung jedoch nur noch tiefer in die Verarmung getrieben worden. Laut Kose, der die Untersuchung mitverfasst hatte, sei es nun »Zeit, Alarm zu schlagen«. Als potentielle Lösungsansätze gelten demnach mehr Hilfen für den Klimaschutz, Zugeständnisse der Gläubiger hochverschuldeter Staaten und Maßnahmen zur Förderung des grenzüberschreitenden Handels.

Der Studie ist auch zu entnehmen, dass in einem Drittel der ärmeren Länder das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nach wie vor niedriger ist als vor der Coronapandemie. In einigen Staaten sei die Lage besonders kritisch, dort liege die Armutsrate achtmal höher als im weltweiten Durchschnitt. »Das Wohlergehen dieser Länder ist für den langfristigen Wohlstand der Welt von entscheidender Bedeutung«, erklärte Indermit Gill, Chefökonom der Weltbank. Deswegen müssten ärmere Länder deutlich stärker finanziell unterstützt werden. Doch die westliche Staatenwelt hat andere Prioritäten – etwa Haushaltskonsolidierung und Rüstungsinvestitionen – so dass der Einfluss im Süden allmählich schwindet.

In die Lücke tritt insbesondere China, mit großzügigen Investitionen in die lokale Infrastruktur und ohne schädliche Deregulierungs- und Liberalisierungsauflagen. Auch Gill erkannte im Rahmen der Frühjahrstagung an, China habe es – ebenso wie Indien und Südkorea – geschafft, »zu florieren, die extreme Armut zu beseitigen und die Lebensbedingungen zu verbessern«. Mit internationaler Hilfe könnten dies auch die heute ärmsten Länder schaffen. Aus dem Westen ist diese Unterstützung allerdings nicht zu erwarten. Da gibt es schon genug eigene Probleme.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Ähnliche:

  • Kampf der Titanen: US-Präsident Biden fordert Chinas Staatschef ...
    24.08.2023

    Biden will China stoppen

    USA: Reform von IWF und Weltbank soll Beijings Einfluss in Afrika begrenzen
  • »Immer weiter Richtung Abgrund«: Hirte mit Kadavern in Kenia, Se...
    18.10.2022

    Globale Krise

    Jahrestagung von IWF und Weltbank: Düstere Prognosen für die Weltwirtschaft. Lob für Kürzungsdoktrin der BRD

Mehr aus: Kapital & Arbeit