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Aus: Ausgabe vom 17.04.2024, Seite 8 / Ansichten

Spiegelbild des Tages: CDU

Von Felix Bartels
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Christdemokraten habens nicht leicht. Ein Leben im Imperativ, jede Tatsache eine Gefahr. Als Christian Wulff sich 2010 vorwagte mit dem längst nicht mehr zu leugnenden Umstand, dass der Islam zu Deutschland gehöre, als habe das vor ihm noch nie wer zu denken gewagt, stand die Par­allelgesellschaft CDU in Flammen. Nicht erholt davon bis heute.

Entsprechend feilt man weiter am Grundsatzprogramm, in das nun – wir stecken ja mitten in den Iden des Merz – eine Passage geändert werden soll. »Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.« In der ersten Fassung stand noch: »Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.«

Dieselbe Aussage, andersherum formuliert, politisch macht die Inversion aber einen Gegensatz. Sie bezeugt, worauf es den Verfassern ankommt: ausgrenzen statt tolerieren. Wie immer übrigens, wo feste Absicht im Spiel ist, wird die Sprache schwammig. Vielleicht sollte man zunächst mal klären, ob Deutschland denn zu Deutschland gehört. Oder der Islam zum Islam. Und was ist das eigentlich, »ein Islam«? Es gibt den Islam, und es gibt seine Strömungen. Sich auf die zu beziehen, meidet man bei der Union. Guten Grundes, der archaische Charakter auch jeder anderen großen Religion ließe sich schwer mit dem Grundgesetz vereinbaren. Also bleibt man beim vagen »ein Islam«, einem Ding, das es nicht gibt. Was aber nicht ist, kann nicht bloß nicht zu etwas gehören, es kann auch nicht nicht dazu gehören.

Nicht Religionskritik steckt hinter der schwammigen Sprache, sondern Vorbehalt gegen bestimmte Menschen. Solchen nämlich, die Religion zum Anlass nehmen, Intoleranz auszuleben. Diesen Vorbehalt vage zu lassen scheint der CDU nötig, man müsste andernfalls zugeben, kaum besser zu sein als die, die man draußen halten will.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (17. April 2024 um 10:39 Uhr)
    Die Ablenkungsmanöver der CDU: Wenn Nebensächliches zur Hauptsache wird. Die Fähigkeit der Christdemokraten, sich in Nebensächlichkeiten zu verlieren und dabei die drängenden Probleme des Landes elegant zu umschiffen, ist bemerkenswert. Ein perfektes Beispiel dafür liefert ihre jüngste Debatte über die Rolle des Islam in Deutschland, eine Angelegenheit, die eindeutig zur Privatsphäre gehört, da Staat und Religion getrennte Sphären sind. Während die Welt mit existenziellen Herausforderungen wie sozialer Ungleichheit, Armut und globalen Krisen konfrontiert ist, entscheidet sich die CDU, über die Frage zu streiten, ob »der Islam« zu Deutschland gehört oder nicht. Als wäre dies die entscheidende Angelegenheit, die das Wohl und Wehe der Nation bestimmt. Dabei versinken wichtige Themen wie Bildung, Gesundheitsversorgung und wirtschaftliche Entwicklung im politischen Nirgendwo, während die CDU weiterhin über den Islam debattiert. Es ist höchste Zeit, dass die Christdemokraten aufhören, Nebensächlichkeiten zu priorisieren, und sich stattdessen auf die wirklichen Herausforderungen konzentrieren, die unser Land bewegen. Andernfalls laufen sie Gefahr, von den Wählern nicht nur als irrelevant, sondern auch als unfähig wahrgenommen zu werden, die dringenden, aktuellen Probleme anzupacken.

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