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Aus: Ausgabe vom 16.04.2024, Seite 12 / Thema
Geschichte Zentralasiens

Kurzlebiger Separatstaat

Vor 90 Jahren zerschlugen chinesische nationalistische Truppen die Islamische Republik Ostturkestan
Von David Hoffmann
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Offiziere der Turkisch-Islamischen Republik von Ostturkestan (TIROT), undatierte Aufnahme

Die Region, die heute Xinjiang heißt, gehört seit der Zerschlagung des Dsungarischen Khanats und dem damit einhergehenden Völkermord an den Dsungaren in den späten 1750er Jahren kontinuierlich zu China. Zu Zeiten der Qing-Dynastie trug die Gegend zunächst den Namen »Neue Grenze der westlichen Region« (Xiyu Xinjiang). Erst im Jahr 1878 erhielt die Region den Status einer chinesischen Provinz und heißt seitdem Xinjiang (»Neue Grenze«). Zwar wurde die Region mit dem Verwaltungsakt des chinesischen Kaisers politisch aufgewertet, wirtschaftlich wurde die Bande zu den bevölkerungsreichen Regionen an der chinesischen Pazifikküste jedoch schwächer: Nach den Opiumkriegen der westlichen Großmächte versiegte der Nachschub an Silber nach Xinjiang. Die lokale Provinzregierung war wirtschaftlich mehr und mehr auf sich allein gestellt.

In Isolation

Nachdem mit der Chinesischen Revolution 1911/1912 die Qing-Monarchie gestürzt worden war und es fortan keine Zentralregierung in Beijing mehr gab, die das Land zusammenhalten konnte, spaltete sich Xinjiang faktisch von China ab. Im Gegensatz zur Mongolei, zu Tibet und Tuwa erklärte die Provinzregierung in Tihwa (Ürümqi) jedoch nicht die Unabhängigkeit der Region. Der monarchistische General Yang Zengxin schlug zunächst die Anti-Qing-Revolution in Xinjiang nieder, vertrieb die Revolutionäre und schwang sich dann selbst zum Provinzgouverneur auf.

Da die Qing-Monarchie aber passé war, schwor Yang offiziell die Treue zu den chinesischen Zentralregierungen der 1910er und 1920er Jahre, regierte vor Ort aber äußerst isolationistisch. Sofern es ging, versuchte er jedweden Kontakt mit Vertretern anderer Länder zu vermeiden. Xinjiang erhielt eine eigene Währung und die Grenze zum südlich gelegenen Tibet blieb dauerhaft geschlossen. Lediglich mit Russland und nach der Oktoberrevolution dann mit Sowjetrussland bzw. der Sowjetunion betrieben lokale Händler Geschäfte. Während die chinesische Pazifikküste faktisch von einer Reihe von Kolonialmächten gemeinsam regiert wurde, blieb Xinjiang weitgehend abgeschottet. Als einzige diplomatische Vertretungen vor Ort unterhielten die Briten ein Konsulat in Kaschgar im Süden, und ab Mitte der 1920er zeigte die Sowjetunion vor allem im Norden diplomatisch und durch Handelsvertretungen Präsenz.

Yangs Isolationspolitik verhinderte eine Dominanz der Kolonialmächte oder einen maßgeblichen Einfluss der Sowjetunion, die Provinz blieb aber wirtschaftlich unterentwickelt. Neben einigen nomadischen Gruppen war ein Großteil der Bevölkerung Bauern. Die Mehrheit der Bevölkerung stellten die Uiguren, wobei es diesen Begriff bis in die 1920er Jahre noch nicht gab und die Bezeichnung erst ab den 1930er Jahren in Xinjiang selbst genutzt wurde. Neben den Uiguren gab es kleinere Minderheiten der Kasachen und Mongolen im Norden sowie Kirgisen im Westen. In den Städten konzentrierten sich die Han- und Hui-Chinesen, aus denen sich auch die politische Verwaltung rekrutierte.

Kumul-Rebellion

Nachdem es der Nationalrevolutionären Armee der Guomindang in den Jahren 1926 bis 1928 gelungen war, die chinesische Pazifikküste unter ihre Kontrolle zu bringen, unternahm die Guomindang erste Versuche, ihren Einfluss in die Provinzen weitab der Küste auszudehnen. Im Juli 1928 tötete Fan Yaonan, der für die auswärtigen Beziehungen Xinjiangs zuständig war, den Provinzgouverneur Yang, um selbst zum neuen Gouverneur aufzusteigen. Fan gehörte einer kleinen Gruppe an, die die nordwestliche Provinz Chinas unter Kontrolle der von der Guomindang geführten Regierung in Nanjing bringen wollte. Doch Jin Shuren, ein Anhänger Yangs, ließ Fan festnehmen und umbringen. Daraufhin schwang sich Jin selbst zum neuen Gouverneur auf.

Der aus der Nachbarprovinz Gansu stammende Jin ließ sich in seiner Amtszeit von seinem Hass auf die Muslime der Region, allen voran die Uiguren, leiten. Diese Politik gegen die Mehrheitsbevölkerung Xinjiangs führte zu Spannungen zwischen der regierenden Minderheit der Han-Chinesen und der Mehrheit der muslimischen Bevölkerungsgruppen. Immer wieder kam es zu Aufständen der muslimischen Uiguren, Kasachen und Kirgisen gegen die Provinzregierung. Bei den buddhistischen Mongolen war Jin ebenso unbeliebt.

Nach vielen kleineren Zwischenfällen begann 1931 im Osten Xinjiangs die Kumul-Rebellion. Das Dsungarische Khanat in Kumul hatte seit der Eroberung durch die Qing-Dynastie in den 1750er Jahren als eine nichtstaatliche Monarchie exisitiert, deren Oberhaupt die Region eigenständig verwalten konnte, solange er die chinesische Oberhoheit anerkannte. Um dieses Arrangement zu verstetigen, hatten die Khane von Kumul zu Qing-Zeiten den Status chinesischer Prinzen bekommen. Gesetze aus der übrigen Provinz galten in dieser Region nicht, die Steuern blieben im Khanat niedrig. 1930 ließ Jin Shuren den Khan von Kumul, Maksud Shah, festnehmen. Der Khan starb daraufhin im November desselben Jahres in Haft. 1931 löste Jin das Khanat auf, um die Gebiete direkt seinem Machtbereich anzugliedern.

Daraufhin bewaffneten sich Bürger des Khanats und begehrten gegen die äußerst unbeliebte Herrschaft Jins auf. Zu Spannungen hatte geführt, dass aufgrund einer Hungersnot im Inneren Chinas immer mehr muslimische Hui-Chinesen aus der Nachbarprovinz Gansu in Kumul siedelten. Jin wollte mit der Ansiedlung der Hui den Einfluss der uigurischen Bevölkerung zurückdrängen. Gegen die Politik der Provinzregierung organisierten sich unter den wenigen uigurischen Intellektuellen mehrere Geheimbünde. Beeinflusst von der im späten Zarenreich entstandenen Bewegung des Dschadidismus gab es in Xinjiang auch eine muslimische Reformbewegung, die wirtschaftliche Misere und politisches Abseits durch Modernisierungen überwinden wollte. In der Sowjetunion hatten sich im Zuge des Russischen Bürgerkriegs viele Dschadidisten den Bolschewiki angeschlossen, in Xinjiang blieben sie jedoch ohne größeren Einfluss.

Die Rebellion nahm schnell große Teile des Khanats Kumul ein, an ihrer Spitze konnten sich Hodscha Niyaz und Yulbars Khan durchsetzen. Beide Uiguren hatten zuvor am Hofe des alten Khans als Berater gedient. Vor allem frühere Offizielle des Khanats schlossen sich dem Aufstand an, da sie durch die Abschaffung des Khanats an Einfluss verloren hatten. Yulbars Khan rief mangels Alternativen in der benachbarten Mongolei und in Gansu um Hilfe. Dabei behauptete er, für eine »Chantou-Volksrepublik« zu stehen. Die Mongolei, deren Staats- und Regierungsführung gerade energische Reformen in Richtung Sozialismus forcierte, sandte eine Delegation zu den Aufständischen. Offiziell zwar Nachbar, besaß die mongolische Regierung zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht die vollständige Kontrolle über jene Gebiete, die direkt an Kumul angrenzten. Aufgrund einer politisch angespannten Lage und einer Hungersnot kam es 1932 zu dem Chöwsgöl-Aufstand, der sich über vier westliche mongolische Provinzen ausbreitete. Xinjiang war deswegen zu dieser Zeit von allen direkten Routen ins Innere China abgeschnitten. Die mongolische Regierung unter Tsengeltiin Dschigdschiddschaw, der später als »linker Abweichler« kritisiert wurde, sah sich gezwungen, die Mongolische Revolutionäre Volksarmee zu Hilfe zu rufen, um die Westmongolei wieder unter Kontrolle zu bringen. Im selben Jahr lieferten die Mongolen dann Waffen an die Aufständischen in Kumul. Ob man damals in Moskau davon wusste, ist bis heute unklar.¹

Ein Warlord greift ein

Derweil versuchte ein Warlord der im Inneren Chinas einflussreichen Ma-Clique, die Situation für sich auszunutzen. Die Oberhäupter der Ma-Clique kontrollierten im Verlauf der 1920er Jahre fast die gesamten Provinzen Qinghai, Gansu und Ningxia. Der Warlord Ma Zhongying aus dem westlichsten Zipfel Gansus marschierte mit 500 bis 1.000 schlecht ausgerüsteten Reitern im Rebellengebiet Kumul ein. Die Provinztruppen Jin Shuren konnten die Streitmacht Ma Zhongyings jedoch zurückschlagen. Ma, auch bekannt unter dem Spitznamen »Der kleine Kommandeur«, zog sich daraufhin vorläufig nach Gansu zurück.

Während Jins Truppen die Einheiten Mas zurückschlagen konnten, blieb Kumul zunächst unter der Kontrolle der Rebellen. Erst im Jahr 1933 eskalierte die lokale Kumul-Rebellion zu einem Bürgerkrieg in der gesamten Provinz. General Ma marschierte im Frühjahr 1933 erneut in Xinjiang ein. Dieses Mal befehligte er rund 10.000 Mann und besaß ein viel größeres Arsenal an militärischer Ausrüstung. Auch wenn Ma offen seine Loyalität zur Guomindang-Regierung in Nanjing schwor, warfen sowjetische Vertreter ihm vor, vom Kaiserreich Japan unterstützt zu werden. Seine Truppen konnten dieses Mal bis zur Provinzhauptstadt Tihwa vorstoßen, die sie belagerten. Die dort stationierten Provinztruppen unter dem Kommando des neuen Provinzgouverneurs Sheng Shicai schlugen Mas Truppen jedoch zunächst zurück.

Die Turkisch-Islamische Republik

Am südlichen Rand der Taklamakan-Wüste kam es ebenfalls zum Aufstand. Die dortigen Rebellen brachten die Stadt Hotan unter ihre Kontrolle, an der Spitze des Aufstandes etablierten sich drei Adlige, die als die »Amire von Hotan« bekannt wurden. Die drei Brüder erklärten ihre Stadt für unabhängig von China. Im Verlauf des Jahres 1933 erreichten uigurische Rebellen aus Kumul die im Südwesten Xingjiangs gelegene Stadt Kaschgar und verbrüderten sich mit lokalen kirgisischen Aufständischen und den Hotan-Amiren. Parallel erreichten auch dunganische Truppen die Oasenstadt.

Während die Guomindang-treuen Truppen die kaschgarische Neustadt einnahmen, konnten die verschiedenen Rebellengruppen die Kontrolle über die Altstadt etablieren. Die Provinzregierung verlor jenseits der Neustadt von Kaschgar jedwede Kontrolle im Dreiländereck China–Britisch-Indien–Sowjetunion. Abdulla Bughra und Sabit Damulla Abdulbaki, der Premierminister und die höchste religiöse Autorität von Hotan siedelten im Sommer 1933 nach Kaschgar über. Ihre Hotaner Separatistenregierung hatte zunächst eine Außenstelle in der Stadt eröffnet, aus der dann später die »Ostturkestanische Unabhängigkeitsassoziation« wurde.² Das weiter bestehende Chaos im Zentrum und im Norden Xinjiangs ausnutzend erklärte am 12. November Sabit Damulla Abdulbaki die Etablierung der Turkisch-Islamischen Republik von Ostturkestan (TIROT), die auch manchmal die Erste Ostturkestanische Republik genannt wird.³ Hauptstadt der TIROT wurde Kaschgar, wobei die Separatistenregierung das Gebiet bis nach Aksu im Nordosten und Hotan im Südwesten beanspruchte.

Die TIROT wandte sich allgemein gegen die chinesische Dominanz in der Region. Sich auf die reaktionäre Dogmatik mehrerer islamischer Rechtsgelehrter stützend, gingen verschiedene Kommandeure der Republik auch gegen Christen und Hindus vor und erklärten die Einführung einer strikten Auslegung der Scharia. In einigen Städten kam es zu Massakern von Händlern aus Britisch-Indien, für deren Schutz das britische Konsulat in Kaschgar zuständig war. Die neue Regierung ließ Münzen prägen, gab Pässe heraus und etablierte eine eigene Postverwaltung. Überraschenderweise ernannten die Separatisten Hodscha Niyaz, der sich zum Zeitpunkt der TIROT-Proklamation im 400 Kilometer entfernten Aksu aufhielt, zum Präsidenten der Republik. Einige panislamische und antikemalistische Syrer und Türken reisten nach der Proklamation der Republik vom benachbarten Afghanistan über den gebirgigen Wachankorridor in die TIROT, um den Separatistenstaat zu unterstützen.

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Machtbereich der TIROT 1933/1934

Trotz der Hilfe von einigen Freiwilligen von außen scheiterte die Republik nach nur wenigen Monaten. Eine galoppierende Inflation schwächte die Währung, die TIROT konnte nicht auf die Ausbeutung von Ressourcen setzen, der lokale Handel lag aufgrund des Bürgerkriegs darnieder, und dem neuen Staat gelang es nicht, alle beanspruchten Gebiete einzunehmen. Selbst in der erklärten Hauptstadt Kaschgar blieb die Neustadt unter der Kontrolle Guomindang-loyaler Kräfte. Darüber hinaus erkannte kein Land die Unabhängigkeit der Separatistenrepublik an: Weder die Regierung von Großbritannien noch die von Japan oder gar die von Afghanistan zeigten sich daran interessiert.

Großes Chaos

In Tokio wiederum setzte man auf den osmanischen Prinzen Mehmed Abdülkerim Osmanoğlu. Dieser hatte sich als Exilant nach dem Ende des Osmanischen Reiches in Damaskus niedergelassen. Ende 1933 reiste er nach einem Zwischenstopp in Japan in Richtung Xinjiang. Es war nie klar, an die Spitze welcher Bewegung er sich in der Provinz stellen wollte. Nachdem er Xinjiang erreicht hatte, überschlugen sich vor Ort die Ereignisse. Der osmanische Prinz floh nach Britisch-Indien. Obwohl Japan mit Manzhouguo einen eigenen Marionettenstaat in China besaß, reichte der Einfluss nicht bis nach Zentralasien.

Im Januar 1934 belagerten die Truppen General Ma Zhongyings, die 36. Division der Nationalrevolutionären Armee, erneut Tihwa. Die Sowjets reagierten dieses Mal mit dem Einmarsch von etwa 7.000 Soldaten der Grenztruppen der GPU (Nachfolgeorganisation der Tscheka) in den Uniformen regulärer chinesischer Soldaten und dem Einsatz von Flugzeugen der sowjetischen Luftstreitkräfte. Die Flugzeugeinsätze sorgten für Panik unter den von Ma Zhongying befehligten Truppen, die daraufhin zunächst nach Korla im Zentrum Xinjiangs zogen. Später marschierten sie in den Südwesten der Provinz in Richtung Kaschgar weiter.

Die 36. Division der Nationalrevolutionären Armee zerschlug die TIROT quasi im Handstreich. Ein Teil der TIROT-Truppen floh ins nahegelegene Yengisar und ein anderer nach Jarkand auf der Route nach Hotan. Bei der Einnahme der Stadt Kaschgar kam es zu mehreren Massakern und es starben auch Mitarbeiter des britischen Generalkonsulats. Hodscha Niyaz drehte derweil seine Position um 180 Grad und unterschrieb ein Abkommen mit sowjetischen Vertretern im Grenzort Irkeschtam. Er bekannte sich erneut zur mittlerweile erstarkten Provinzregierung. Ebenso schwor Yulbars Khan dem Separatismus wieder ab. Khan erhielt einen Regierungsposten in der Regierung von Sheng Shicai, kehrte später nach Kumul zurück und übernahm dort den Posten des Garnisonskommandeurs.⁴

Am 16. April 1934 zerschlugen Mas Truppen die letzte Einheit der Separatisten. Nur Ahmadjan Bughra, einer der drei Emire von Hotan, starb auf dem Schlachtfeld. Damit hatte die TIROT ihr Ende gefunden, und der erste Versuch einer uigurischen Republik war endgültig gescheitert. Die Zerschlagung der Separatistenrepublik blieb der letzte militärische und politische Erfolg Ma Zhongyings. Eingezwängt zwischen den Truppen des mit der Sowjetunion verbündeten Provinzgouverneurs Sheng im Norden und Britisch-Indien im Süden verhandelte Ma mehrere Monate mit dem britischen und dem sowjetischen Konsul in der Oasenstadt.⁵ Auf seinen Befehl marschierten seine Truppen Anfang Juli nach Hotan ab. Er selbst ritt nach Irkeschtam an der chinesisch-sowjetischen Grenze, wurde dort entwaffnet und verschwand anschließend in der UdSSR. Wann und wo er genau gestorben ist, wurde bis heute nicht geklärt. Die Reste der 36. Division der Nationalrevolutionären Armee gruben sich in und um Hotan ein und hielten dort symbolisch die Flagge der Guomindang hoch. Ihr Gebiet, vom österreichischen Zentralasienexperten Walther Heissig Dunganistan getauft, existierte noch bis ins Jahr 1937.

Ende des Krieges

Letztendlich marschierten Ende Juli 1934 rund 400 Soldaten der Provinzialtruppen Shengs ohne größere Kampfhandlungen in Kaschgar ein. Damit endete der mehr als dreijährige Bürgerkrieg, der mit der Kumul-Rebellion im Frühjahr 1931 begonnen hatte. Hodscha Niyaz, der bereits früh eine prominente Rolle in Kumul gespielt hatte und später symbolisch als Präsident der TIROT vorstand, erhielt den Titel eines Zivilgouverneurs auf Lebenszeit, blieb jedoch ohne jedwede politische Macht. Zwar schmückte sein Foto die Klassenzimmer Xinjiangs und lokale Schulbücher. Gestützt auf Hilfe aus der Sowjetunion, behielt jedoch Militärgouverneur Sheng die Zügel in der Hand.

Die Turkisch-Islamische Republik von Ostturkestan, die einzige uigurische Republik, die es jemals gab, blieb ein kurzlebiges Experiment. Im bis dahin agrarisch und feudal geprägten Xinjiang gab es ohne Handelsströme und auszubeutende Ressourcen (die wurden erst später entdeckt) keine wirtschaftliche Grundlage für die Separatistenrepublik. Hilfe von äußeren Mächten blieb ebenso aus und letztlich zerschlugen republiktreue Truppen die TIROT bevor der Großteil der Provinz endgültig an den damals prosowjetischen Warlord Sheng Shicai fiel.

Anmerkungen

1 Brophy, David: The Qumul Rebels’ Appeal to Outer Mongolia, in: Turcica, Jg. 42 (2010), S. 329–341

2 Ondřej Klimeš: Struggle by the Pen – The Uyghur Discourse of Nation and National Interest, c. 1900–1949, Leiden 2015, S. 122

3 Die Zweite Ostturkestanische Republik existierte als prosowjetischer Separatistenstaat in der Dsungarei im Norden von Xinjiang von 1944 bis 1946.

4 Ke Wang: The East Turkestan Independence Movement, 1930s–1940s, Hongkong 2018, S. 69

5 Andrew D. W. Forbes: Warlords and Muslims in Chinese Central Asia: A Political History of Republican Sinkiang 1911–1949, ­Cambridge 2010, S. 124–125

David Hoffmann schrieb an dieser Stelle zuletzt am 19. Oktober 2023 zur Gründung der Republik Türkei 100 Jahre zuvor.

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