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Aus: Ausgabe vom 12.04.2024, Seite 6 / Ausland
Wahlkampf

Sargnagel des ANC

Südafrika: Expräsident Jacob Zuma darf bei Wahlen antreten. Regierungspartei droht Verlust der absoluten Mehrheit
Von Christian Selz, Kapstadt
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Auf Konfrontationskurs mit dem ANC: Südafrikas Expräsident Jacob Zuma (Johannesburg, 11.4.2024)

Als Jacob Zuma noch als Spitzenkandidat des seit dem Ende der Apartheid regierenden African National Congress (ANC) in den Wahlkampf zog, gab er auf Kundgebungen häufig ein Lied aus dem Befreiungskampf zum besten: »Bring mir mein Maschinengewehr«, lautete der Refrain. Zwischenzeitlich wurde der seit diesem Freitag 82jährige wegen Korruptionsvorwürfen aus dem Präsidialamt gedrängt, wegen Unterstützung einer neuen Partei vom ANC suspendiert und seitens der Wahlbehörde von den Parlamentswahlen Ende Mai ausgeschlossen. Doch kämpferisch zeigt Zuma sich noch immer, gegen den Wahlausschluss zog er vor Gericht. Mit Erfolg: Am Dienstag revidierte das Wahlgericht die Entscheidung der Wahlbehörde. Der ehemalige Staats- und ANC-Chef wird also antreten dürfen – und damit zum Problem für seine Expartei.

Dass Zuma auf Konfrontationskurs fährt, zeigt schon der Name der neuen politischen Kraft, als deren Spitzenkandidat er nun ins Rennen geht: uMkhonto weSizwe (MK, »Speer der Nation«). So hieß der von Nelson Mandela gegründete bewaffnete Arm des ANC während des Antiapartheidkampfes. Gegen die Bezeichnung und das Logo der Partei läuft eine Klage des ANC. Die Partei hatte zudem Ende Januar Zumas Mitgliedschaft suspendiert.

Ende März erklärte dann die Unabhängige Wahlkommission, dass Zuma von der Teilnahme an den Parlamentswahlen ausgeschlossen sei. Begründet wurde dies mit einer vorherigen Verurteilung Zumas zu einer 15monatigen Haftstrafe. Im südafrikanischen Wahlgesetz ist verankert, dass Straftäter, die zu zwölf oder mehr Monaten Gefängnis verurteilt wurden, nicht für das Parlament kandidieren dürfen. Die Strafe gegen Zuma war 2021 wegen dessen Missachtung eines weiteren Gerichtsurteils verhängt worden. Darin war er angewiesen worden, vor einer richterlichen Untersuchungskommission auszusagen, die mit der Aufarbeitung der systematischen Korruption während seiner Amtszeit (2009–2018) befasst war. Wegen der auf tausenden Berichtsseiten dargelegten Plünderung der südafrikanischen Staatskasse, an der auch zahlreiche internationale Konzerne, auch aus Deutschland, kräftig mitverdienten, wurde Zuma allerdings bis heute nicht der Prozess gemacht. Vor Gericht steht er jedoch seit Jahren wegen Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit einem Waffengeschäft aus den späten 1990er Jahren, in das französische und deutsche Unternehmen involviert waren.

Das Wahlgericht lieferte – aufgrund der Dringlichkeit des Beschlusses – zunächst keine Begründung für sein Urteil, Zuma nun doch zur Wahl zuzulassen. Als mögliche technische Gründe sehen Analysten entweder eine zwischenzeitlich von Präsident Cyril Ramaphosa verkündete Generalamnestie auf zur Bewährung ausgesetzte Strafen oder die Tatsache, dass Zuma nicht wegen einer Straftat verurteilt wurde. Zuma war vor drei Jahren nach wenigen Tagen in Haft aus gesundheitlichen Gründen begnadigt worden – dies allerdings von seinem ehemaligen Geheimnischef, den Ramaphosa auf einen Posten im Justizvollzugswesen abgeschoben hatte und der zu der Begnadigung gar keine Befugnis hatte. Der Expräsident blieb seitdem dennoch auf freiem Fuß.

Hintergrund des Einknickens vor Zuma dürfte auch die Sorge vor weiterer Gewalt sein. 2021 war seiner Inhaftierung eine über soziale Medien orchestrierte Plünderungswelle in den bevölkerungsreichsten Provinzen KwaZulu-Natal und Gauteng gefolgt, 354 Menschen starben, weite Teile der Einzelhandelsinfrastruktur in den betroffenen Gebieten wurden zerstört. Trotz allem verfügt Zuma, der während seiner Amtszeit die neoliberale Politik seiner Vorgänger weiterführte, sich seit seiner Absetzung aber als Retter der Ärmsten darstellt, insbesondere in seiner Heimatprovinz KwaZulu-Natal noch über zahlreiche Anhänger. In Umfragen liegt seine MK-Partei landesweit bei zehn Prozent. Für den regierenden ANC, der erstmals um seine absolute Mehrheit bangt, könnte das Antreten des Expräsidenten damit der letzte Sargnagel sein.

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