junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Donnerstag, 2. Mai 2024, Nr. 102
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 12.04.2024, Seite 8 / Ansichten

Unrechtssystem

EU-Asylregelung verabschiedet
Von Arnold Schölzel
imago0441686596h.jpg
»Bekämpft den rassistischen Staat, seine Polizei und weißen Überlegenheitsdünkel«: Protest gegen die extreme Rechte in Göttingen (16.3.2024)

Was die mehr als 700 EU-Parlamentarier mehrheitlich am Mittwoch als »Asylsystem« beschlossen, wird vom Mainstream verharmlosend als »Verschärfung des Asylrechts« und »Beschleunigung von Abschiebungen« bezeichnet. Das ist die Sprachregelung eines Wahrheitsministeriums. In Wirklichkeit geht es um ein Bündel von Unrechtsbestimmungen, deren Zweck die Abschaffung des Asylrechts ist. Der Sache nach handelt es sich um die Erfüllung des Hauptprogramms von Faschisten und Nationalisten in der EU und ihres wachsenden Anhangs in der Wählerschaft. Die Ersetzung von Recht durch Verordnungen, die rassistischem Wahn entsprungen sind, wird noch schöngefärbt. Beides zusammen – Rechtsnihilismus und dessen Lackierung – gehört zum reaktionär-militaristischen Umbau, der in der BRD und nun in der von ihr geführten EU am Mittwoch einen großen Schritt gemacht hat.

Denn das ist der Konsens dieser Wertegemeinschaft: Fürs Ergattern von Rohstoffquellen, die Sicherung von Handelswegen Richtung EU und die dafür vom Zaun gebrochenen Feldzüge sind sie alle gemeinsam mit Ausnahme linker und kommunistischer Parteien. Für die Kriegsfolgen – Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Syrien, Palästina, Libyen, Westafrika, Ukraine – in Gestalt von Flüchtlingen will keiner verantwortlich sein. Genauer: Italienische Faschisten oder griechische Küstenwache sorgen gern mal dafür, dass bei einem einzigen Bootsuntergang Hunderte Menschen im Mittelmeer ertrinken. Zehntausende Tote besagen: Die EU ist ein Unrechtssystem, das sich am Mittwoch weiter rechtsförmig vervollkommnet hat.

Am Umfang der Migration wird das Beschlossene nichts ändern. Wenn Olaf Scholz behauptet, nun werde die »irreguläre Migration« begrenzt, ist das die von einem Kriegsherrn erwartbare Demagogie. Übertroffen wird er darin noch von seiner Außenministerin, die das Ganze »Humanität und Ordnung« nennt. Humanität besteht in 120.000 Knastplätzen an den EU-Außengrenzen, Ordnung in Käfighaltung von Kindern dort. Die Migrationsforscherin Zeynep Yanaşmayan hielt am Donnerstag im Sender Flux FM die einfache Wahrheit fest: »Die Menschen fliehen, weil sie fliehen müssen.« Im übrigen hätten 70 Prozent derjenigen, die die BRD erreichen, ein Anrecht auf Asyl.

Nichts ändern sollen die EU-Vorhaben am weiteren Aufstieg derjenigen, die in Migration den Universalschlüssel zur Erklärung jeder Krise des Kapitalismus gefunden haben. Denn speziell das deutsche Monopolkapital will seit Beginn seiner Existenz vor 130 Jahren beides: Den Import billiger Arbeitskräfte egal woher zwecks Lohndrückerei und die durch nationalistische Hetze verschärfte Konkurrenz zwischen den Beschäftigten. Das entspricht dem deutschen Geschäftsmodell der globalen Exportwalze. Scholz und Baerbock wissen, was sie abzuliefern haben. Verstärkte Repression nicht nur gegen Migranten gehört dazu.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

  • »Reguläre Migration« fördern, »irreguläre Migration« besser bekä...
    12.01.2024

    Ideal im Staatskorsett

    Die Debatte über Flucht und Migration nach der »Zeitenwende« erweist sich als zweigeteilter nationaler Humanismus
  • Immer höhere Zäune, immer radikalere Abschottungsmaßnahmen: Absp...
    21.12.2023

    Todesstoß für Asylrecht

    Einigung auf »Reform« in Brüssel: Migration als »Krise« festgeschrieben, Schutzsuchende entrechtet und kriminalisiert

Regio:

Mehr aus: Ansichten