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Aus: Ausgabe vom 12.04.2024, Seite 5 / Inland
Lufthansa

Spatz, Taube und Kranich

Lufthansa räumt letzten großen Arbeitskampf ab: Keine Flugbegleiterstreiks vor April 2027
Von Jens Walter
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»Planbarkeit für die kommenden zweieinhalb Jahre« (Lufthansa-Flugbegleiterinnen)

Die Lufthansa hat rechtzeitig vor dem Sommergeschäft den letzten großen Arbeitskampf abgeräumt. Am Donnerstag stimmte die Gewerkschaft der Flugbegleiter einem Tarifvertragsangebot zu, mit dem weitere Streiks bis April 2027 ausgeschlossen sind. Zuletzt hatte die Unabhängige Flugbegleiterorganisation (UFO) den Betrieb der Kranich-Airline am 12. März lahmgelegt. Auf einen weiteren Streik über Ostern hatte die Gewerkschaft dann aber verzichtet.

Ihre Kernforderung war 15 Prozent mehr Gehalt bei einer Laufzeit von 18 Monaten. Das Lohnplus konnte sie durchsetzen, allerdings für die doppelte Laufzeit. Zunächst sollen die 19.000 Flugbegleiter zum 1. Mai acht Prozent mehr Lohn erhalten, zum 1. März 2025 dann weitere fünf Prozent und zum 1. März 2026 schließlich noch einmal 3,5 Prozent. Je nach Inflationsentwicklung könnte sich das Entgegenkommen der UFO-Unterhändler noch rächen.

Verhandlungsführer Harry Jaeger zeigte sich mit dem Ergebnis am Donnerstag gleichwohl »sehr zufrieden«, wobei er, ganz Sozialpartner, die Interessen der Gegenseite fest im Blick hatte: Die längere Laufzeit böte nicht nur den Kolleginnen und Kollegen »verlässliche Planbarkeit für die kommenden zweieinhalb Jahre, sondern auch Lufthansa«, freute sich Jaeger,

Auch die Verpflichtung, nach Auslaufen des Tarifvertrags zum Jahreswechsel 2026/27 drei Monate lang nicht zu Arbeitskämpfen aufzurufen, hielt Jaeger für »unproblematisch«. Nach diesem dreimonatigen »Verhandlungskorridor« stünden schließlich alle Instrumente zur Durchsetzung etwaiger Forderung wieder zur Verfügung. Das ist hoch gepokert. Auch die UFO-Tarifkommission kann zweistellige Inflationsraten Ende 2026 nicht ausschließen. Der fröhliche Optimismus könnte ihr noch auf die Füße fallen.

Dennoch ist davon auszugehen, dass die Mitglieder die Einigung in der nun anstehenden Urabstimmung annehmen werden. Sie beinhaltet auch eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro und die Erhöhung einiger Zulagen. Wahrscheinlich werden die meisten Flugbegleiter lieber den Spatz in der Hand haben als die Taube auf dem Dach.

Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann war am Donnerstag auch zufrieden: »Die jetzt erzielte Einigung ist für Fluggäste, Mitarbeitende und Lufthansa eine gute Nachricht.«

Außen vor bleiben bei dieser Lösung die Beschäftigten in den Flugzeugen der Lufthansatöchter Cityline und Discover. UFO berichtete am Donnerstag ein weiteres Mal von Fortschritten in den Gesprächen über jeweilige Haustarifverträge, unterschriftsreif sind die aber noch lange nicht. Bei der vor knapp drei Jahren gegründeten Ferienairline Discover wollen Piloten und Flugbegleiter weiterhin überhaupt erstmals Tarifverträge durchsetzen.

Kurz vor Ostern war der von Verdi organisierte Arbeitskampf des Lufthansa-Bodenpersonals geschlichtet worden. Die Mitglieder haben das Ergebnis mit 94,5 Prozent Zustimmung angenommen, wie Verdi am Donnerstag mitteilte. Am vergangenen Wochenende war ebenfalls mittels Schlichtung ein Kompromiss für die privaten Luftsicherheitskräfte an den Flughäfen gefunden worden. Im Wechsel hatten die drei Berufsgruppen im Frühjahr wiederholt große Teile des deutschen Luftverkehrs lahmgelegt.

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  • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (12. April 2024 um 08:24 Uhr)
    Mal ganz allgemein und unabhängig von dem gehabten Streik bei der Lufthansa: Man sollte endlich mal überlegen, wie zeitgemäß die gegenwärtig praktizierte Form von Streiks noch ist. – Um nicht falsch verstanden zu werden: Mir geht es nicht um den Streik »an sich«, den ich als Mittel im Arbeitskampf befürworte. Sondern um die Art und Weise der Durchführung. – Jedenfalls kann ich mich nicht freuen, wenn z. B. ein Lokführer-Gewerkschaftsfunktionär mit stolz geschwellter Brust verkündet, wie viele Züge ausgefallen sind. Denn damit treffen die Streikenden nicht nur ihre Unterdrücker und Ausbeuter, sondern vor allem andere Unterdrückte und Ausgebeutete, die sich ihrerseits nicht wehren können, denen Mehraufwand und –kosten entstehen, die ihnen, da »höhere Gewalt«, niemand erstattet. Und von denen »Solidarität« erwartet wird. – Nur ein Beispiel, wie es auch anders gehen könnte: Vor einigen Jahren streikten die Beschäftigten des städtischen Verkehrsbetriebes. Aber kein Bus und keine Straßenbahn fielen aus. Sondern die Streikenden verkündeten, dass während der Streikdauer keine Fahrscheinkontrollen stattfinden würden. Binnen Kürze war dieser Streik erfolgreich beendet. Hierbei war der Effekt wohl noch höher als beim »herkömmlichen« Streik: Die Fahrgäste (ausgenommen Dauerfahrscheinbesitzer) konnten die Streikenden durch »nicht-bezahlen« unterstützen. Natürlich hängt die Art und Weise des Streiks von der Branche ab. Aber es geht, man muss es nur wollen und vor allem Phantasie haben!
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (12. April 2024 um 14:03 Uhr)
      Kleinbürgers Traum: Gewitter ohne Blitz und Donner, Revolution ohne Veränderung und Streiks, von denen man nichts merkt. Die Welt ist deutlich prosaischer. »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!« Macht beugt sich Macht und nicht dem stillen Gebet. Alles andere bleibt nutzlose Faselei der Marke Sozialpartnerschaft: »Bitte und dir wird gegeben«. Natürlich mit der Mütze in der Hand und auf Knien.

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