4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 12.04.2024, Seite 4 / Inland
Staat gegen AfD

Programm und Parolen

Münster: Berufungsprozess um Einstufung der AfD als »Verdachtsfall« fortgesetzt
Von Kristian Stemmler
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Maximilian Krah am Donnerstag in Münster

Mit einer Personalie sorgte die AfD im Berufungsverfahren vor dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster, das am Donnerstag nach knapp vier Wochen Pause weiterging, für Überraschung. An diesem dritten Verhandlungstag hat sie sich von Parteivize Peter Boehringer und außerdem von Maximilian Krah, Spitzenkandidat der Partei bei der EU-Parlamentswahl, vertreten lassen. In dem Verfahren geht es um die vom Inlandsgeheimdienst vorgenommene Einstufung der Partei als »rechtsextremistischer Verdachtsfall«. Krah gilt eher als jemand, der mit seinen Wortmeldungen Material für diese Einstufung geliefert hat.

Einer der zentralen Punkte in dem Verwaltungsgerichtsverfahren ist, dass der Verfassungsschutz der Partei vorhält, einen »völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff« zu vertreten. Krah etwa postete Ende Januar beim Kurznachrichendienst X, dass die »Anfälligkeit« für Korruption mit Kultur und Ethnie einhergehe.

Tatsächlich ging es am Donnerstag vormittag vor dem 5. Senat des OVG um den Volksbegriff der Partei. Der Anwalt des Inlandsgeheimdienstes, Wolfgang Roth, vertrat den Standpunkt, dass Vertreter der Partei immer wieder zwischen dem deutschen Staatsvolk – also der Gesamtheit der Staatsbürger – und der ethnischen Identität unterscheiden würden. Das sei eine Abwertung der anderen. »Das sind dann Bürger zweiter Klasse«, sagte Roth. Das Grundgesetz aber unterscheide nicht zwischen Staatsvolk und Volk.

Boehringer wollte Äußerungen von Parteimitgliedern dagegen keine prinzipielle Bedeutung beimessen und verwies auf die programmatischen Dokumente. Danach müsse die Partei beurteilt werden. Thomas Jacob, Richter des 5. Senats, machte daraufhin deutlich, dass auch das Gericht diese Differenz für zentral hält. Die Partei verweise auf das eigene Programm, während der Verfassungsschutz Aussagen von Parteimitgliedern zitiere. »Die Argumente liegen auf dem Tisch und wir müssen es bewerten«, sagte der Richter.

Am Donnerstag ging es auch um die Sicht der AfD auf den Islam. Roth zitierte hochrangige Parteivertreter mit Sätzen wie »Hab acht vor muslimischen Jungs und Männern« oder der Warnung »Flutung Europas mit Muslimen und Messermoslems«. Es fehle jede Differenzierung, wenn etwa der Islam von AfD-Vertretern »in Gänze« als terroristische Vereinigung bezeichnet werde.

Nach den zwei ersten Verhandlungstagen im März und der folgenden Unterbrechung drückte der Senat am Donnerstag aufs Tempo. Der Vorsitzende Richter Gerald Buck unterbrach die Beteiligten mehrfach, wenn bereits bekannte Inhalte wiederholt wurden. Bis zum Juni sind noch zwölf Termine angesetzt. Wann es ein Urteil geben könnte, ist derzeit nach Angaben einer Gerichtssprecherin nicht absehbar.

Die Partei hat dem Gericht angekündigt, am Freitag AfD-Mitglieder mit Migrationshintergrund zu Wort kommen lassen zu wollen. Sie sollen die Behauptung illustrieren, dass die Partei keineswegs ethnisch-völkisch denke. Schon am zweiten Verhandlungstag hatte die Partei eine in Nigeria geborene Frau sowie einen Mann aus dem Iran, die beide Mitglied der AfD sind, Erklärungen abgeben lassen.

Mit ihrer Klage gegen die Einstufung durch den Inlandsgeheimdienst hatte die AfD in erster Instanz am Verwaltungsgericht Köln verloren und ging daraufhin in Berufung. Bisher besteht die Taktik der Partei auch darin, das Verfahren in die Länge zu ziehen. So kündigten ihre Anwälte zunächst über 200 neue Beweisanträge an, inzwischen ist die Zahl laut Gericht auf 457 angewachsen. Das Nahziel ist augenscheinlich, ein möglicherweise ungünstiges Urteil vor der EU-Wahl am 9. Juni zu vermeiden.

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