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Aus: Ausgabe vom 12.04.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Staatsfeind Fußballfan

»Immer mehr Repression gegen Kurven«

Fans arbeiten trotz Rivalität vereinsübergreifend zusammen. Ein Gespräch mit Martina Hüttner
Von Oliver Rast
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Stabiler Block mit klarer Botschaft: Kickerei denen, die supporten (Regensburg, 24.2.2024)

Wann und wie haben Sie von der Datei »EASy Gewalt und Sport«, kurz EASy GS erfahren?

Die Existenz der Datei wurde erst durch eine schriftliche Landtagsanfrage der grünen Abgeordneten Max Deisenhofer und Katharina Schulze im Mai 2021 bekannt. Also mehr als ein Jahr nach der Einführung im Januar 2020.

Wie viele Fans mit Bezug zum SSV Jahn Regensburg sind Ihrer Kenntnis nach in dieser Datei gespeichert?

Die Anzahl der Jahn-Fans in dieser Datei hat sich drastisch reduziert. Im September 2022 waren es noch 121 Jahn-Fans. Im Januar 2024 hingegen lediglich zwölf. Wir als Fanhilfe ermuntern konsequent seit Bekanntwerden von »EASy GS« jährlich unsere Mitglieder und interessierte Jahn-Fans, mittels Auskunftsersuchen etwaige Dateieinträge beim Polizeipräsidium München abzufragen. Wir führen den drastischen Rückgang bei Neueintragungen auf die hohe Zahl an Abfragen und das gestiegene öffentliche Interesse zurück. Das stellen wir übrigens bei fast allen Fanszenen in Bayern fest.

Aber: Welche Folgen hat die Speicherung von Daten für Betroffene?

Direkte Folgen für Betroffene haben sich bei uns nicht ergeben. Jedoch schockierten uns teilweise die gespeicherten Inhalte, etwa Kfz-Kennzeichen und Fahrzeughalter oder angebliche Funktionen von Personen innerhalb der Fanszene in Regensburg.

Wie nehmen Sie das wahr, haben bayerische Behörden die Gangart mit aktiven Fans verschärft?

Bayern ist ja nicht gerade für lasche Gesetze und deren Auslegung bekannt. Deshalb haben hier wohl alle Fanszenen mit immer stärker werdenden Repressionen zu kämpfen. Um dem bestmöglich entgegenzutreten, ist der stetige Austausch untereinander unabdingbar. Auch werden Rivalitäten untereinander bei Themen, die uns alle betreffen, hinten angestellt. Als bestes Beispiel dafür dient freilich die gemeinsame Aktion der Fanhilfen in Bayern zur vergangenen Landtagswahl im Oktober 2023 – Motto: »Fanrechte stärken - Repression stoppen!«

Dennoch: Anhänger in den Kurven werden gewissermaßen zum innerstaatlichen Feind erklärt, nicht nur in Bayern. Was fordern Sie, damit diese Stigmatisierung endet?

Eine für Fußballfans optimale Situation wird es aus unserer Sicht wohl nicht geben können. Trotzdem wäre zumindest ein Anfang gemacht, wenn seitens der Behörden endlich mehr Transparenz, Datenschutz und die Wahrung von Grundrechten an Spieltagen gewährleistet würden. Dazu zählt für uns die Abschaffung sowohl der Datei »EASy GS«, als auch der bundesweiten Verbunddatei »Gewalttäter Sport«. Ferner ein Verbot des Einsatzes von Pfefferspray bei Großveranstaltungen, die Abkehr von der Massenüberwachung beispielsweise durch Drohneneinsätzen und mobile Überwachungseinheiten zusätzlich zur bestehenden Kameraüberwachung in den Fußballstadien. Und nicht zuletzt braucht es eine funktionierende unabhängigen Beschwerdestelle für Opfer von Polizeigewalt.

Martina Hüttner ist Sprecherin der Fanhilfe Regensburg

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