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Aus: Ausgabe vom 11.04.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Alpträume der Geschichte

Zu jW vom 5.4.: »Generalstab wieder da«

Die deutsche Regierung lässt deutsche Geschichte lebendig werden. Am 17.Mai 1933 dankte der damalige deutsche Bundeskanzler – Pardon, Reichskanzler – der US-Regierung von Franklin D. Roosevelt. Auch Deutschland sei bereit, »sich an diesem Werke der Inordnungbringung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Welt uneigennützig zu beteiligen«. Die deutsche Regierung sei überzeugt, »dass es heute nur eine große Aufgabe geben kann: den Frieden der Welt zu sichern«. Am 16. März 1936 hat die damalige deutsche Regierung ganz in diesem Geiste das »deutsche Friedensheer« neu gegliedert. Als dessen vornehmlichste Aufgabe wurde definiert, »die deutschen Grenzen gegen Angriffe von außen zu schützen«. Deutschland will nur »Arbeit und Frieden«, so der Titel einer in Berlin herausgegebenen Broschüre (1933), deren Lektüre Alpträume über die Perspektiven der deutschen Gegenwart verursacht.

Gerhard Oberkofler, Wien

Der Krampf

Zu jW vom 6./7.4.: »Spitze des Eisbergs«

Es ist bemerkenswert, dass Rechtsextremisten, von denen erwiesen Gewalt ausgeht, einen Waffenschein besitzen, so ganz legal. Illegal sind es ohnehin mit Sicherheit weit mehr. Allerdings frage ich mich, warum mir bei meinen – mit Sicherheit – friedlichen Aktionen gegen das, wozu ja unsere Politik immer wieder auffordert: »Zivilcourage gegen rechts« zu zeigen, mir schon mehrfach von Polizisten meine Farbspraydosen »entwendet« wurden, ebenso der nie als Waffe benutzte Ceranfeldschaber gegen Nazisticker und Plakate. Vielmehr musste ich mir wiederholt von den wegen Neonaziangriffen bei meiner Aktion von mir zu Hilfe gerufenen Polizisten – z. B. in Berlin-Buch – anhören, dies im Beisein des Neonazis Christian Schmidt –, dass sie die (Nazi-)Sticker kleben dürften! So sieht der entschiedene K(r)ampf unserer Bundesinnenministerin aus.

Irmela Mensah-Schramm, per E-Mail

Mobilisierung der Vernunft

Zu jW vom 6./7.4.: »Aus Leserbriefen an die Redaktion«

Zwar hat Bernd Vogel vom Grundsatz her recht mit seiner Charakterisierung der Politikerin Sahra Wagenknecht, aber seine Vergleiche hinken und sind dann oberflächlich. Der idealistische Philosoph Georg Friedrich Hegel wurde mit seiner Dialektik sowohl von Marx als auch von Lenin gewürdigt. Auf seiner Dialektik baut schließlich der historische Materialismus auf. Nun leben wir natürlich im 21. Jahrhundert. Das gesellschaftliche Bewusstsein aber wird nach wie vor idealistisch durch die herrschende Klasse in den bestehenden Ausbeutungsverhältnissen geprägt.

Welche Alternative bietet der Verfasser an, wo er dem Saarländer und Kommunisten Honecker in Zwietracht säender Manier preußisch-kleinstaatlich unterstellt, den Sozialismus zerstört zu haben und intrigant gewesen zu sein, was er auch Oskar Lafontaine als Saarländer, als dem letzten in idealistischer Befangenheit vernunftbegabt ehrlichen sozialdemokratischen Politiker, anlastet? Können wir in dieser Situation – wie überhaupt grundsätzlich – so argumentieren? In dieser dümmlich zynischen Weise könnte man fragen, ob Sachsen besser wären? Sachsen hat natürlich eine revolutionäre Vergangenheit, für die auch besonders der Sachse Walter Ulbricht steht. Das Bild ist jedoch umgekippt, wofür maßgeblich der Opportunismus verantwortlich zu machen ist und nicht – trotz Fehlern und Überforderung – der Saarländer Honecker, der von Zöglingen umgeben war, von selbstherrlich arroganten sowjetischen Führern wie Chruschtschow und Breschnew abhing oder von Gorbatschow mit dessen offenem Verrat – mit der Duldung im Politbüro selbst.

Trotz Schaffung klarer bezirklicher Verwaltungsstrukturen 1952 hat die deutsche Ideologie in feudalistischen Muttermalen verharrt, dabei offenbar auch links den Horizont verengt, mit dem Antistalinismus als Türöffner für den Antikommunismus, der auch Nationalismus, Militarismus und Faschismus Tür und Tor öffnete. Wagenknecht war zu jung, als die Konterrevolution ausbrach, um ihre materialistischen Ansätze im Getriebe der imperialistischen Verhältnisse zu stabilisieren. Und es ist übrigens differenziert zu sehen, dass die Herrschenden sie loben. Im Infratest der ARD zu Parteiwahlen fehlen sowohl Die Linke als auch das BSW in der Videotext-Tafel 130.

Wagenknecht mit Timoschenko in Verbindung zur Konvertierung zu bringen, halte ich für bösartig. Im übrigen: 1946 nach dem Krieg stand nicht der Sozialismus, sondern die Schaffung einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung auf der Tagesordnung. Heute – vor dem Krieg! – geht es um die demokratische Mobilisierung aller auch bürgerlichen, vernunftbegabten Kräfte, um nicht die richtigen Argumente mehr den falschen, eben profaschistischen Individuen und Handlangern zu überlassen. Da sollten wir auf Persönlichkeiten wie den Theologen Eugen Drewermann oder auch die Journalistin und Publizistin Gabriele Krone-Schmalz hören. Nicht »Krieg und Frieden«, sondern Krieg oder Frieden stehen auf dem Plan.

E. Rasmus, per E-Mail

Mit aufrechtem Gang

Zu jW vom 26.3.: »DDR konkret«

Ingar Solty sei gedankt für einen wohltuenden Rückblick auf 80 Jahre Leben eines über alle gesellschaftlichen Brüche hinweg stets charakterfest und geradlinig gebliebenen Linken, ob mit oder ohne Parteibuch. Dass er Edgar Külow, einen Freund Anderts, als »sauerländischen Kabarettisten« beschreibt, mag seinen Grund darin haben, dass auch Solty im Sauerland geboren wurde. Aber bereits vor dem »Ost-West-Duett« nach der sogenannten Wende waren Edgar Külow und Reinhold Andert künstlerisch miteinander verbunden. Es war Edgar Külow, der Reinhold Andert in eigene Bühnenauftritte integrierte und ihm so auch Gelegenheit auf Honorar bot. Das durchaus vorhandene Risiko eigener Ausgrenzung nahm Edgar Külow dabei in Kauf. Zwei Künstler mit aufrechtem Gang.

Thomas Seidel, Chemnitz

Nach dem Krieg stand die Schaffung einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung auf der Tagesordnung. Heute – vor dem Krieg! – geht es um die (…) Mobilisierung aller auch bürgerlichen, vernunftbegabten Kräfte.

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  • Leserbrief von Bernd Vogel aus Leipzig (15. April 2024 um 11:51 Uhr)
    In der jW vom 11. April 2024 beschäftigt sich E. Rasmus unter der Überschrift »Mobilisierung der Vernunft« mit einem früheren Leserbrief von mir. Erfreulicherweise gesteht er mir zu, dass ich vom Grundsatz her recht habe. Dann kommt er auf den Philosophen Hegel zu sprechen. Die Erkenntnis, dass die Philosophie Hegels eine der Quellen des Marxismus darstellt, ist so neu nicht, wie es E. Rasmus scheinen mag. E. Rasmus schreibt zu Recht, dass Hegel u. a. auch von Lenin gewürdigt wurde. Lenin hatte vorgeschlagen, einen Verein der materialistischen Freunde der Hegelschen Dialektik zu bilden. Weiter schreibt E. Rasmus: »Nun leben wir natürlich im 21. Jahrhundert. Das gesellschaftliche Bewusstsein aber wird nach wie vor idealistisch durch die herrschende Klasse in den bestehenden Ausbeutungsverhältnissen geprägt.« Welch Wirrwarr. Dabei hatte E. Rasmus wenige Zeilen vorher vom historischen Materialismus gesprochen, um nun historischen Idealismus zu formulieren. Auf einen Punkt sei noch eingegangen. E. Rasmus schreibt, dass es bösartig sei, Wagenknecht und Timoschenko in Verbindung zu bringen. Aber Tatsachen sind nun mal ein hartnäckiges Ding. Die Parteien BSW und Bjut sind bzw. waren nach dem Namen ihrer Spitzenpolitikerinnen benannt. Dass er diese Tatsache als bösartig empfindet, spricht für sein gutes Gemüt. Abschließend: Unbedingt zuzustimmen ist E. Rasmus, wenn schreibt, dass es um die »demokratische Mobilisierung aller auch bürgerlicher, vernunftbegabter Kräfte geht«. Aber bei diesem notwendigen Bündnis darf man die eigene materialistische Position nicht vergessen.