junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Donnerstag, 16. Mai 2024, Nr. 113
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 11.04.2024, Seite 11 / Feuilleton
Pop und Politik

Augen auf beim Anleihenkauf

Die Ärzte und das Kreuz mit der Demokratie
Von Hagen Bonn
keller11 copy.jpg
Hat da was im Auge: Farin Urlaub

Au Backe! Ich erinnere mich. In der FAZ, es war kurz vor Weihnachten 2008, meinte Farin Urlaub (Gitarre, Gesang der Band Die Ärzte) auf die Frage, was er denn als reicher Popstar mit seinem Geld so treibe: »Termingeld, Staatsanleihen, keine Aktien. Ich glaube nicht an Aktien.« Okay, gebongt. Jedenfalls kam er damals recht gut durch die Finanzkrise.

Und damit es mit den Staatsanleihen auch weiter klappt, haben er und seine Band ein KI-basiertes ­Video veröffentlicht. Im dazugehörigen Song werden wir gründlich belehrt: »Immer nur zu meckern auf das blöde Scheißsystem / Das ist schön bequem / Du bist nicht der Teil der Lösung, du bist selber das Problem / Und feige außerdem.« Stopp! Was bin ich? Und worum geht es bei diesen Zeilen? Ach, Gottchen, jetzt kapiere ich das. Es geht um unsere »Demokratie« und wie supi-dupi die für alle Menschen ist. Das habe ich überhaupt nicht gewusst, sorry. Da bin ich ja völlig uninformiert. Das muss daran liegen, dass ich aus der DDR komme. Thomas Klug von Deutschlandfunk Kultur formulierte es so: »Der Osten als Absurditätenreservat, als Streichelzoo für gescheiterte sozialistische Geschichte«. Ja, wenn man in einem Reservat wohnt, ist das schon blöd für die Demokratie.

Auch blöd sind Putin, Trump, Kim Jong Un, AfD, Querdenker und die Chinesen. Alle Demokratiefeinde kommen im Ärzte-Video vor. Niemand wurde vergessen! Auch nicht ein Demoschild, auf dem die Forderung »Woke!« zu lesen ist. Was mich allerdings verwirrt, denn die Nordkoreaner und Chinesen bereiten sogar Frühstück in einem Woke zu. Egal, wichtig ist jetzt nur, was die Ärzte uns, also den Patienten, also den Demokratiedistanzierten so aufs Rezept schreiben: »Und falls du dich jetzt fragst, wie man die Welt verbessern kann / Wie wär’s mit wählen gehen?« Potz Blitz. Das ist so genial wie: Wie macht man mit Staatsanleihen ein kleines Vermögen? Indem man ein großes mitbringt. Aber Augen auf beim Anleihenkauf! Kim Jong Un geht gar nicht. Panzer schon eher, das sind 70 Tonnen reine Demokratie.

Und da demnächst EU-Wahlen sind, kann ein wokes Kreuz auf dem Wahlzettel nur gut sein. Auf jeden Fall besser als ein Scheinreferendum in Moskau, wo Millionen graue Pflastersteine zum »Roten Platz« erklärt werden. Bela B (Schlagzeug und Gesang) beharrte dazu laut dpa: Demokratie scheine »mehr als sonst ein besonders zu schützendes Gut zu sein«. Na klar, und eine Glatze ist eine ausgefallene Frisur.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

  • Leserbrief von Peter Nowak aus Berlin (13. April 2024 um 00:27 Uhr)
    Campino hat es vorgemacht mit der Kombination aus Punk und SPD. Daran knüpfen jetzt die Ärzte an. Die Antilopengang wird gleich die der Springerpresse hochgelobt dafür, dass sie die deutsche Verbrechensgeschichte in den Nahen Osten verlegt. Wer kann diese eingebetteten Kunstprodukte noch ernst nehmen, wenn sie auf rebellisch machen? Peter Nowak

Mehr aus: Feuilleton