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Aus: Ausgabe vom 11.04.2024, Seite 8 / Ansichten

Staatsschutzfall des Tages: Katrin Sass

Von Nico Popp
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Bitte aufklären: Katrin Sass bei der Aufzeichnung einer TV-Sendung (Hamburg, 26.5.2023)

Die kleine Siedlung Müggelhort am Müggelsee gehört zu den idyllischeren Ortslagen im Südosten Berlins. Ganz spurlos ist die Zeit des Jammers nach 1989 allerdings auch hier nicht vorübergegangen: 2021 erst brannte nach jahrelangem Leerstand das einstige HO-Restaurant Müggelhort ab. Der übliche »warme Abriss« auf einem der begehrten Wassergrundstücke, munkelten viele Anwohner.

Katrin Sass, die, wie eine aktuellere polizeiliche Ermittlung nahelegt, auch gerne in der Gegend unterwegs ist, wird dem legendären DDR-Lokal vermutlich nicht nachtrauern. Die Schauspielerin pflegt einen wilden Hass auf den ostdeutschen Staat, in dem ihre Karriere einst Fahrt aufnahm. Ihr Auftritt bei einer Veranstaltung in der jW-Ladengalerie 2012, als sie die Vorsängerin einer selbstverständlich gerne eingelassenen Abordnung der »Vereinigung der Opfer des Stalinismus« (VOS) gab, ist unvergessen.

Vielleicht wollte sich Sass einfach mal wieder in Ruhe diese Sternstunden in Erinnerung rufen, als sie, wie am Mittwoch Bild und B. Z. berichteten, am Osterwochenende am Müggelhort auf Menschen traf, die es sich dort an Wald und Wasser gemütlich gemacht hatten. Genaugenommen soll es ihr freilaufender Hund gewesen sein, der zuerst auf die vierköpfige Gruppe stieß und laut Polizeimeldung »Kratzer und Rötungen am Unterarm« bei einem 29jährigen verursachte. In einem anschließenden »Streitgespräch« soll sich die Hundehalterin, die auch mit der Leine um sich geschlagen haben soll, »fremdenfeindlich« geäußert haben. Einer Zeugin, die das filmte, soll sie gedroht haben, den Hund auf sie zu hetzen. Die B. Z. will erfahren haben, dass Worte wie »Wichser« und »Kanaken« gefallen sind. Nun ermittelt der Staatsschutz wegen »fremdenfeindlicher Beleidigung«. Der Anwalt von Sass erklärte am Mittwoch, seiner Mandantin sei »an einer schnellen Aufklärung gelegen«.

Was kann Sass entlasten? Möglicherweise hat sie einfach zu viel Zeit mit ihren VOS-Kumpels verbracht.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (11. April 2024 um 23:54 Uhr)
    Ach, nun auch die Sass. Ein weiterer gefallener Engel aus der bundesdeutschen Hall of Fame prominenter DDR-Widerstandskämpfer und/oder -Opfer bzw. der dazu erhobenen und glorifizierten. Man wird sie nun einreihen müssen hinter solche »Bürgerrechtler« wie Wolfgang Templin, Vera Lengsfeld, Siegmar Faust oder auch Arnold Vaatz, die sich inzwischen öffentlich als Träger rechten Gedankenguts und als AfD-Sympathisanten geoutet haben. Dem politischen Mainstream der BRD bereitet das Bauchschmerzen, denn sie taugen nun nicht mehr als Projektionsflächen westdeutscher Bürgerträume von heldenhaften ostdeutschen Widerstandskämpfern gegen den Kommunismus und für Demokratie und Freiheit. Lange ignorierte man politisch unkorrekte Äußerungen dieser Freiheitshelden. Aber heute, wo nur noch bestimmte, explizit geäußerte politische Ansichten und Meinungen, in einem schmalen Korridor, als »demokratisch« zugelassen sind, fällt das schwer. Nun unterstellt man Lengsfeld, Vaatz und Co. sie wären irgendwie nach rechts abgedriftet und hätten sich von ihren einstigen Idealen entfernt. Aber das haben sie nicht! Mit derselben Motivation und den gesellschaftspolitischen Einstellungen, durch die sie in der DDR zu Dissidenten wurden, stellen dieselben Leute sich heute gegen den zeitgenössischen bürgerlich-liberalen Mainstream der »Berliner Republik«. Sie stehen für eine Opposition von rechts, damals wie heute. Man kann den Kreis dieser missverstandenen bürgerlichen Helden sogar auf den ehemaligen »Ostblock« erweitern, auf z. B. die polnischen Kaczyński-Brüder und Viktor Orbán, antikommunistische und erzkonservative Antiliberale. Orbán ist vom Chef der Konservativen im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), als großer Europäer und Demokrat bezeichnet worden, weil Orbán in Ungarn »gegen den Kommunismus« gekämpft hatte. Die Beschneidung von Bürgerrechten und Verletzung von Menschenrechten in Orbáns Ungarn fand der deutsche Konservative weniger bedeutsam. Man muss halt Prioritäten setzen.

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