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Aus: Ausgabe vom 11.04.2024, Seite 6 / Ausland
Migrationspolitik

Ein Sieg von ganz unten

Spanien: Rund eine halbe Million Menschen bekommt Papiere. Rechtskonservative PP dafür, Faschisten von Vox dagegen
Von Carmela Negrete
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Jubel bei den Unterstützern: Die Initiative »Legalisierung jetzt« hat alle Hürden genommen (Madrid, 9.4.2024)

Vor zwei Jahren haben sie damit begonnen, Unterschriften zu sammeln. Schließlich konnte das Netzwerk »Regularización Ya« (Legalisierung jetzt) immer mehr Menschen und Organisationen überzeugen. Am Ende waren es rund 900 NGOs, Vereine, Parteien und andere Gruppen, die mehr als 600.000 Unterschriften gesammelt und eine Gesetzesinitiative im spanischen Parlament durchgesetzt haben. Demnach sollen alle Menschen ohne gültige Papiere, die bereits seit 2021 in Spanien leben, eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

Nun hat die Abgeordnetenkammer am Dienstag abgestimmt – und den Vorschlag angenommen. Dagegen stimmte lediglich die extrem rechte Partei Vox. Die Sprecherin von »Regularización Ya«, Silvana Cabrera, betonte anschließend in den Nachrichten des Senders Telediario, dass es eigentlich überfällig und nur gerecht war, eine solche Regelung zu treffen. Denn viele der geschätzt 500.000 Betroffenen übten »wichtige Arbeiten für die Gesellschaft aus, in der Pflege, als Haushaltshilfen und in allen weiteren Bereichen von Dienstleistungen«, also in sogenannten systemrelevanten Jobs, deren Unverzichtbarkeit sich während der Coronapandemie zur Genüge erwiesen hatte.

Die Rechtskonservativen von der Volkspartei (PP) haben auch dafür gestimmt, nicht zuletzt, weil auch kirchliche Organisationen wie die Caritas dazu aufgerufen hatten. Die Sozialdemokraten des PSOE gaben ebenfalls ihr Einverständnis, auch wenn sie angekündigt hatten, dass sie den Gesetzestext ändern wollten, um zu verhindern, dass dadurch Menschen ohne Papiere ins Land angelockt würden, wie der Sprecher der Partei, Patxi López, im Parlament wissen ließ.

Warum Vox als einzige Formation gegen eine Legalisierung votierte, brachte José Ignacio García von der Partei Adelante Andalucía vor zwei Wochen im andalusischen Regionalparlament auf den Punkt. An die Vertreter von Vox gerichtet, sagte er, dass sie »die Migranten nicht rausschmeißen«, sondern »hierbehalten« wollten, jedoch »ohne Rechte« – als Pflegekräfte für ihre Großeltern, »in Gewächshäusern«, wo sie »von früh bis spät ohne Vertrag« arbeiteten, »auf Baustellen«, wo sie »ohne Versicherung« beschäftigt würden, weswegen sie »im Falle eines Unfalls vor dem Krankenhaus abgesetzt werden«.

Zusätzlich zur Einführung des neuen Gesetzes wird ein anderes abgeschafft, das vermögenden Ausländern erlaubte, ein Visum zu erhalten, wenn sie Immobilien im Wert von mehr als einer halben Million Euro in Spanien kaufen, besser bekannt als das »Goldene-Visa-Gesetz«. Ministerpräsident Pedro Sánchez hat angekündigt, dass diese Regelung, die in seiner ersten Regierungszeit um zwei Jahre verlängert worden war, abgeschafft werden soll. »Wir werden die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Wohnen ein Recht ist und nicht bloß ein spekulatives Geschäft«, erklärte Sánchez am Montag.

Doch die Maßnahme dürfte kaum Auswirkungen auf den gnadenlosen Wohnungsmarkt haben. Laut offiziellen Zahlen gab es in den vergangenen zehn Jahren lediglich rund 14.500 »goldene Visa«. Der linke Ökonom Eduardo Garzón schrieb auf X, dass »nur zehn Prozent aller Immobilienkäufe von Ausländern mehr als eine halbe Million Euro wert waren«, und »außerdem stammt die Hälfte dieser Käufer aus der EU und war von der Regelung ohnehin nicht betroffen«. Das heißt, dass sich an der von dieser Käuferschicht angetriebenen Preistreiberei vorerst nichts ändern wird.

Beide fortschrittlichen Maßnahmen tragen jedenfalls nicht dazu bei, die Umfragewerte für das Linksbündnis Sumar zu verbessern, die sich gegenwärtig auf nur acht Prozent Zustimmung belaufen. Das liegt auch an dem Streit um die Nominierung von Kandidaten für die EU-Wahl. So wie die mittlerweile aus dem Linksbündnis und der Regierung ausgetretene Partei Podemos, besteht nun auch das Sumar-Mitglied Vereinigte Linke (IU) auf freien Listen und Abstimmungen über ihre Besetzung. Ob sich aber Sumar-Chefin Yolanda Díaz damit einverstanden erklärt, blieb bis jW-Redaktionsschluss offen. Alles deutet jedoch darauf hin, dass es zu den geforderten Wahlen nicht kommen wird und möglicherweise eine weitere Spaltung von Sumar bevorsteht.

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