4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 10.04.2024, Seite 5 / Inland
Tagebau Thüringen

Kumpel gegen K+S

Gerichtsverhandlung in Fulda: Arbeiter klagt auf Wiedereinstellung
Von Susanne Knütter
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Fässer bei der Anlieferung in der Untertagegiftmülldeponie von K+S (Heringen, 12.7.2022)

Ein junger Kumpel kritisiert seine Vorgesetzten vom börsennotierten Bergbaukonzern K+S für schlechte Arbeitsbedingungen und Rationalisierungspläne, die hinter verschlossenen Türen verhandelt würden. Daraufhin wird er wegen angeblicher Falschbehauptungen fristlos entlassen. Später liefert der Konzern aber selbst Hinweise dafür, dass der Arbeiter aus dem Werra-Kalirevier in Westthüringen mit seinen Anschuldigungen nicht so falsch lag wie behauptet wird. Wenn das Arbeitsgericht in Fulda diesen Mittwoch den Fall »Julian Wächter gegen K+S« verhandelt, dürften einige Widersprüche auf den Tisch gelegt werden.

Auf einer Betriebsversammlung Ende September kritisierte der Arbeiter in einer Rede, die jW vorliegt, Konzernrekordgewinne auf Kosten der Beschäftigten. Er ging auf Arbeitszeiten, zu hohe Temperaturen, Einsparungen bei Materialien ein. »Der Mann hat ganz normale Fragen zum Thema gemacht: Lohnkürzung, Arbeitshetze, Wetterführung«, sagte Rainer Weinmann von der Initiative »Kumpel für AUF«, die den Kollegen unterstützt, am Dienstag gegenüber jW. Damit habe er einen wunden Punkt getroffen, das Unternehmen habe panisch reagiert und im nachhinein sei versucht worden, Gründe für die Kündigung zu finden, so Weinmann. So werfe K+S dem Kumpel »ehrverletzende, üble Nachrede« vor, weil Wächter in seiner Rede etwa von drei Herzinfarkten in der A-Schicht im Schacht Unterbreizbach gesprochen habe. Der Konzern habe zwar zugegeben, dass drei Leute ausgefahren worden sind, die Ursache sei jedoch nicht bekannt. Nach sechs bis 14 Tagen seien die Beschäftigten zurück im Schacht gewesen.

Falsch sei aus Sicht von K+S auch Wächters Kritik an dem Projekt »Werra 2060«, mit dem Produktion und Lagerung innerhalb des Konzerns umgebaut werden sollen. »Während umgebaut wird, sollen wir schön weiterproduzieren. (…) Und dann werden wir vor vollendete Tatsachen gestellt, sollen mit noch weniger Leuten, mit noch flexibleren Arbeitszeiten noch mehr produzieren«, monierte Wächter in seiner Rede. Hinter verschlossenen Türen werde über einen Sozialplan verhandelt, »was nichts anderes bedeutet, als dass Arbeitsplätze vernichtet werden«.

Auf einer Betriebsversammlung im Dezember soll K+S im Grunde dann genau das verkündet haben. »Die Fabrik Unterbreizbach soll die Produktion weitestgehend einstellen«, hieß es in einer Pressemitteilung von »Kumpel für AUF«. »Mit der Vernichtung von 150 Arbeitsplätzen bis 2027« werde »unmittelbar begonnen«. Nach Abschluss der Umbaumaßnahmen in den Fabriken sei weitere Arbeitsplatzvernichtung geplant – »insgesamt mindestens 700 Arbeitsplätze« sollten wegfallen.

K+S beantwortete eine Anfrage nach geplanten Stellenstreichungen nicht. Statt dessen erklärte ein Sprecher gegenüber jW, dass Standortschließungen durch das Projekt »Werra 2060« »vermieden werden« würden. Die Laufzeit der Grube in Unterbreizbach werde sogar »verlängert«. K+S werde durch eine »Kombination von Qualifizierungsmaßnahmen und anderen Teilinstrumenten, wie zum Beispiel Renteneintritten und natürlicher Fluktuation, mit dem Transformationsprojekt die auch für K+S spürbaren Effekte des Fachkräftemangels kompensieren können«. Die Frage, ob der Umbau im Rahmen von »Werra 2060« letztlich bedeutet, dass am Ende weniger Beschäftigte mehr produzieren, ließ der Konzern damit weitgehend unbeantwortet.

Allein die Frage, seit wann K+S mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan verhandelt, beantwortete K+S deutlich: »Es gibt keinen Sozialplan zum Projekt ›Werra 2060‹. Es wurde zwischen Unternehmen und Betriebsrat bislang auch nicht über einen Sozialplan ›Werra 2060‹ verhandelt.« Nun, der Teufel steckt im Detail. Zwar wurde bisher kein Sozialplan verhandelt, aber geplant sei das, sagte Weinmann gegenüber jW. In der Klageerwiderung des Anwalts von K+S stehe, so Weinmann, dass mehrere Termine in 2024 dafür angesetzt seien.

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