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Aus: Ausgabe vom 06.04.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Argentinien

Kampfmonat der Arbeiter

Argentinien: Gewerkschaften rufen zu landesweiten Streiks und Protestmärschen auf. Dachverband könnte an Mobilisierung von Januar anknüpfen
Von Santiago Stavale, Buenos Aires
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In der Hauptstadt Buenos Aires ging die Polizei am Donnerstag gewaltsam gegen streikende Lehrkräfte vor

Für die Kämpfe der argentinischen Arbeiter zeichnet sich ein entscheidender Monat ab. Den März prägten enorme Mobilisierungen für Lohnverhandlungen, gegen Entlassungen und die forcierten Staats- und Arbeitsreformen von Präsident Javier Milei. Es zeigt sich, dass die argentinische Bevölkerung zu Massenmobilisierung und Widerstand fähig und bereit ist. Und das dürfte auch der einzige Weg sein, die ultrareaktionären Pläne der Regierung noch zu stoppen.

Tatsächlich ist Mileis seit seinem Amtsantritt vollzogene Offensive gegen das Leben der Arbeiter bereits deutlich spürbar; die wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren sind alarmierend. Die Inflation steigt monatlich um mehr als 13 Prozent, die Erhöhungen der Tarife für die öffentliche Versorgung (Gas, Strom und Wasser), der Kosten für Treibstoffe (42 Prozent im bisherigen Jahresverlauf) und Lebensmittel (70 Prozent) treffen die Löhne und die Kaufkraft hart. Dies schlägt sich in einem dramatischen Anstieg der Armut nieder: Laut der Päpstlichen Katholischen Universität von Argentinien (UCA) waren im Januar bereits 57,4 Prozent der argentinischen Bevölkerung betroffen.

Milei reicht das nicht. In seiner Abschlussrede auf dem zweiten Internationalen Wirtschaftsforum der Amerikas (IEFA) in Buenos Aires prahlte er am 27. März, der Staat werde 50.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes entlassen. Um seinen arbeiterfeindlichen »Kettensägenkurs« zu bekräftigen, versprach er zudem die Streichung weiterer 20.000 Stellen. Nur wenige Tage später erhielten 15.000 Menschen vor dem langen Osterwochenende per E-Mail die Nachricht, dass sie in absehbarer Zeit arbeitslos sein werden.

Dieser ohnehin schon enorme soziale Druck wird dadurch noch erhöht und schafft Voraussetzungen für weitere Konflikte. Bei den Demonstrationen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes am Mittwoch, die sich gegen die Massenentlassungen stellten, zeigte sich, dass brutale Repression das Mittel der Regierung gegen die Proteste der Bevölkerung ist. Angesichts der Attacken gegen die protestierenden Arbeiter rief die Gewerkschaft der Staatsbediensteten (Asociación Trabajadores del Estado, ATE) am Freitag zu einem landesweiten Streik und einem Protestmarsch vor das Wirtschaftsministerium in Buenos Aires auf.

In diesem Kontext extremer Spannungen verbreitet sich die Forderung der Gewerkschaftsverbände nach erneuter Mobilisierung: Es zeichnet sich ab, dass der Gewerkschaftsdachverband CGT auf seiner Vorstandssitzung am kommenden Donnerstag eine Kampfmaßnahme ankündigen wird – einen landesweiten Protestmarsch oder einen Generalstreik. Obwohl Teile der CGT-Führung den Aufruf hinauszögern, wird der Druck der Basis derzeit von Tag zu Tag größer. Im Falle eines Streiks wird erwartet, dass die kommenden Proteste die Massenmobilisierung vom 24. Januar übertreffen werden. Sie sollen zudem in der zweiten Aprilhälfte mit dem Zeitraum zusammenfallen, in dem in der Abgeordnetenkammer die Gesetze zur Staats- und Arbeitsreform debattiert werden.

Die Aktivitäten verschiedener sozialer Bewegungen haben bereits bewiesen, dass sie 500 Straßen im ganzen Land gleichzeitig blockieren können. Die Bildung von Nachbarschaftsversammlungen und »Cacerolazos«-Protesten in der Hauptstadt und den umliegenden Provinzen wurden von Protesten der Fahrgäste des öffentlichen Personennahverkehrs gegen die Erhöhung der Fahrpreise begleitet. Die Organisation von Streiks und Protesten an Universitäten und die Arbeitskampfmaßnahmen in strategischen Sektoren wie beispielsweise unter Metallarbeitern, Piloten und Beschäftigten der Fluggesellschaften sowie Milcharbeitern ist ein Zeichen des sich aktuell verschärfenden sozialen Konflikts, der bislang kein absehbares Ende, dafür aber verstärkte Mobilisierungen verspricht.

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