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Aus: Ausgabe vom 06.04.2024, Seite 5 / Inland
Transformation

Das E-Auto als Ladenhüter

Absatz bei elektrisch betriebenen Kraftfahrzeugen sinkt. Zielmarke von 15 Millionen Stromern bis 2030 außer Sicht
Von Klaus Fischer
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Der Rückgang von Neuanmeldungen für E-Fahrzeuge ist kein statistischer Ausreißer, sondern markiert einen Trend

Das Kraftfahrtbundesamt wird unfreiwillig zur Spaßbremse für Bundesregierung und Transformationslobby. Denn laut den Zahlen, die die Behörde am Donnerstag bekanntgab, entpuppt sich einer der Joker im Spiel des »klimagerechten Umbaus« der BRD-Wirtschaft als Lusche: das Elektroauto. Den Angaben zufolge wurden im März nur rund 31.400 Exemplare davon zugelassen – etwa 29 Prozent weniger als im Vergleichsmonat 2023.

Das ist kein statistischer Ausreißer, sondern markiert einen Trend. Auch die Zahlen für das erste Quartal sehen laut Verband der Automobilindustrie (VDA) nicht viel besser aus. Da sank der Anteil der Neuzulassungen von vollelektrischen Kfz um 14 Prozent. Eine Trendwende sei vorerst nicht in Sicht, schrieb die Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag und zitierte einen Sprecher des Beratungskonzerns EY (ehemals Ernst and Young): »In diesem Jahr wird sich auf dem Elektromarkt wenig tun.« EY rechne »mit einem Absatz bestenfalls auf Vorjahresniveau«.

Gründe für den Rückgang gibt es viele. Einer davon ist der Wegfall von staatlichen Subventionen für die vergleichsweise teuren Fahrzeuge. Die euphemistisch »Förderung« genannte Umverteilung von Steuergeldern ist Ende 2023 ausgelaufen. Bereits im September 2023 wurde das staatliche Sponsoring für gewerbliche Nutzer beendet. Allein im Vorjahr wurden so nach Angaben des Finanzministeriums 2,3 Milliarden Euro über den Klima- und Transformationsfonds (KTF) vergeben, wie dpa berichtete. Doch dann ging der Bundesregierung schlicht das Geld aus – vor allem, weil das Bundesverfassungsgericht geplante Tricksereien und Verschiebungen bei der Haushaltsplanung untersagt hatte.

Nicht nur der Preis schreckt potentielle Käufer vom Erwerb eines E-Autos ab. Ja, sie sind leise, emittieren unmittelbar keine Abgase, ihre Beschleunigungswerte sind bemerkenswert und sie gelten teilweise als Statussymbol. Dennoch ist es anscheinend das Gesamtpaket, das die Popularität dieser Fahrzeuge verringert: eine kaum konkurrenzfähige Reichweite, unkomfortables Aufladen, immer noch unzureichende Ladeinfrastruktur, niedriger Wiederverkaufswert oder die problematische Entsorgung der Altbatterien.

Dabei dämmert es offenbar auch hartgesottenen Fortschrittsfanatikern, dass die Art und Weise, mit der der Staat Klimaschutz zu betreiben vorgibt, immer weniger schlüssig daherkommt. Nach der Abkoppelung von russischen Energieträgern, der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke und der seit Anfang April forcierten Stillegung weiterer Kohlekraftwerke fragen sich auch Leute, die durchaus ein E-Auto kaufen würden, ob es dafür dann auch immer und überall genug Strom gibt. Beschwichtigung von Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) reichen ihnen nicht mehr aus.

Zwar ist die Bundesregierung offiziell noch nicht von ihrem Ziel abgerückt, 15 Millionen E-Autos bis 2030 auf die Straßen zu bringen. Angesichts der aktuellen Zulassungszahlen scheint das aber unvermeidlich. Auf neue Subventionen indes sollte keiner hoffen. Der Staat, der sich – wenn man den zuständigen Minister und die Mainstreammedien hört – in einem Kriegsvorbereitungsprozess gegen Russland wähnt, braucht das Geld der Steuerzahler offenkundig anderswo. Es gilt, das korrupte Regime in Kiew finanziell am Leben zu erhalten, die eigene Aufrüstung zu finanzieren und nicht zuletzt die Bevölkerung ruhig zu halten. Da muss anscheinend auch der Klimaschutz zurückstecken.

Im Februar hatte »Agora Verkehrswende«, eine der wichtigsten Lobbyorganisationen der grünen Transformation, bereits versucht, die Regierung unter Druck zu setzen. Um dem E-Auto doch noch zum Durchbruch zu verhelfen, setzt man dort auf staatlichen Zwang. Die Rede ist »von erneuten Kaufprämien über eine stärker CO2-orientierte Besteuerung von Kfz, Dienstwagen und Kraftstoffen bis zu Mindestquoten für E-Pkw und einen forcierten Ausbau der Ladeinfrastruktur«, wie dpa Agora-Direktor Christian Hochfeld und dessen Stellvertreterin Wiebke Zimmer zitierte. »Die erste Stufe des Plans müsste sofort greifen, weil die bisherige Marktentwicklung eindeutig nicht ausreicht.«

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (6. April 2024 um 08:11 Uhr)
    So man es wirklich wollte, böten sich drei Maßnahmen an: 1. Allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h 2. Verbrennerfreie Innenstädte 3. Strukturierung der Ladestruktur: Nicht mehr stundenlanges Laden, sondern Batterietausch an entsprechenden Stationen. Feldversuche laufen schon seit Jahren. Dies sind natürlich Maßnahmen, die der deutschen Autoindustrie nicht genehm sind und damit in der politischen Ampelkoalition nicht durchsetzbar.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (5. April 2024 um 20:13 Uhr)
    Jede historische Epoche hat ihre spezifischen Lügen. Die unserer Zeit trägt die Tarnbezeichnung »Klimaneutralität«. Hat mal jemand seriös die Gesamtklimabilanz eines E-Autos für alle seine Bestandteile und über alle Phasen seines Entstehens, seiner Nutzung bis hin zur finalen »Entsorgung« ermittelt?

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