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Aus: Ausgabe vom 06.04.2024, Seite 2 / Kapital & Arbeit
Globalisierung oder Abschottung

Lektion in Kapitalismus

US-Finanzministerin beschwert sich in China über Exportoffensive Beijings
Von Klaus Fischer
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Guck mal, wer da spricht: US-Finanzministerin Janet Yellen mit dem chinesischen Vizepremier He Lifeng am Freitag in Guangzhou

US-Finanzministerin Janet Yellen hat sich besorgt über eine chinesische Exportoffensive gezeigt. In einer Rede an der Amerikanischen Handelskammer in Guangzhou bei ihrem aktuellen Besuch in der Volksrepublik machte Yellen am Freitag deutlich, dass diese Offensive Resultat enormer staatlicher Unterstützung sei. Dies habe zu einer Produktionskapazität geführt, die sowohl die Binnennachfrage Chinas als auch die Belastbarkeit des Weltmarkts deutlich übersteige, behauptete die Politikerin laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters. Sie werde diese Bedenken bei ihren Unterredungen mit chinesischen Politikern zur Sprache bringen.

Aus US-Sicht wirft China derzeit Elektroautos, Batterien, Solarmodule, Halbleiter und andere Industriegüter in zu großen Stückzahlen auf den Weltmarkt. Das ließe für viele Güter die Preise sinken, was die Produzenten in anderen Ländern wie den USA unter Druck setze. Die Fertigungskapazitäten seien durch jahrelange staatliche Subventionen in China gefördert worden. Aber wegen schwacher Nachfrage auf dem Heimatmarkt versuchten die Produzenten, die Überproduktion im Ausland loszuschlagen.

Es ist alltägliches Geschäft der US-Regierung, sich in die Politik eines jeden beliebigen Landes einzumischen, zu kritisieren, zu fordern, mit Zöllen zu drohen oder Sanktionen zu verhängen. Im Falle Chinas ist das nicht ganz einfach. Zum einen hat die Wirtschaft der Volksrepublik die der USA in vielen Bereichen überflügelt. Beim Bruttoinlandsprodukt berechnet nach Kaufkraftparität ist das Reich der Mitte seit einiger Zeit die Nummer eins weltweit. Zum anderen sind es gerade die USA, die mit dem »Inflation Reduction Act« die eigene Ökonomie schamlos subventionieren.

In Beijing kommt auch die eher noch vorsichtige Kritik Yellens nicht gut an. Es handele sich um eine »China-feindliche« Doppelmoral, zitierte Reuters die Zeitung China Daily, die mit einer Lektion im Fach Kapitalismus konterte: »Es ist ein einfaches ökonomisches Gesetz, dass Überschussprodukte sich natürlicherweise Märkte anderswo suchen, sobald die Inlandsnachfrage gedeckt ist. Die westlichen Nationen tun dies schon seit Jahrhunderten.«

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (7. April 2024 um 09:45 Uhr)
    Die natürliche Überschussproduktion spielte eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung des Handels, der mit der Erfindung des Geldes und der heutigen Entwicklung der Medien zu einem allgewaltigen Triumvirat der Macht wurde. China hat bewusst darauf gesetzt, Wachstum im Ausland zu suchen, anstatt – wie es in den stark verschuldeten USA der Fall ist – die Nachfrage im Inland künstlich anzukurbeln. Das Land strebt nach interessegeleiteten Beziehungen mit der Welt und hat diese nun erfolgreich etabliert. Es ist an der Zeit, in einer globalisierten Welt die Belange ausländischer Akteure mit mehr Respekt zu behandeln und freie, interesseorientierte Handelsbeziehungen weltweit zu fördern!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (5. April 2024 um 23:39 Uhr)
    Wie schwach ist denn die Nachfrage nach PV-Modulen in China? Wie stark ist die Nachfrage weltweit? Wie groß wäre die Nachfrage, wenn die Kaufkraft ausreichend wäre? »Die Staaten haben auf der COP28-Klimakonferenz in Dubai letztes Jahr beschlossen, die Energieeffizienz bis 2030 zu verdoppeln und die Installation von erneuerbaren Energien zu verdreifachen, um das 1,5-Grad-Ziel einhalten zu können« ist in einem Artikel zur »Pressekonferenz zur Eröffnung des Berlin Energy Transition Dialogue 2024« nachlesbar (Quelle: https://www.pv-magazine.de/2024/03/19/irena-weltweit-mehr-investitionen-in-erneuerbare-noetig-und-nicht-auf-atomenergie-hoffen/). Halten sich die Chinesen wieder einmal an Beschlüsse internationaler Konferenzen? Fotovoltaik ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, jedenfalls in nördlichen Breitengraden wie hier Nordfriesland, wo man fünf Monate lang weniger als 30 Prozent Ausbeute des besten Monats im Jahr hat. Für eher südliche Gefilde schaut das besser aus: Je näher dem Äquator, desto gleichmäßiger die monatliche Ausbeute. Die angeführte Quelle zitiert die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien, diese Daten stammen von selbiger (leider im Leserbrief schlecht als Tabelle darstellbar: Solar photovoltaic capacity (MW) Country | 2020 | 2023 China | 253.414 | 609.351 USA | 74.693 | 137.725 Japan | 71.868 | 87.068 Germany | 53.669 | 81.737 India | 39.363 | 72.767 Brazil | 8.452 | 37.449 Australia | 20.835 | 33.680 Italy | 21.650 | 29.789 Spain | 10.136 | 28.712 Korea Rep | 17.323 | 27.046 Netherlands | 11.110 | 23.904 France | 11.917 | 20.542 China hat seine Fotovoltaikkapazität von 2020 auf 2023 auf 240 Prozent gesteigert, die USA auf 185 Prozent, die also gerade 22,5 Prozent der chinesischen beträgt. Hausaufgabe: kW pro EinwohnerIn!

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