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Aus: Ausgabe vom 02.04.2024, Seite 4 / Inland
Bundeskongress der SDAJ

Organisation im Auftrieb

Nürnberg: Bundeskongress der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend beschließt »Zukunftspapier«
Von Philip Tassev, Nürnberg
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Auch in der Umweltbewegung aktiv: SDAJ-Unterstützer beim »Globalen Klimastreik« in Berlin (23.9.2023)

Es wurde viel applaudiert auf dem 26. Bundeskongress der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), der von Freitag bis Sonntag in Nürnberg stattfand. Die DKP-nahe Jugendorganisation hat einigen Grund, optimistisch zu sein. Die absolute Schwäche der 90er und 2000er Jahre scheint überwunden, die Zeichen stehen auf Wachstum. Das spiegelte sich auch in der Zusammensetzung der Kongressteilnehmer wider. Mehr als 70 Prozent der Delegierten sind laut der Organisation in den vergangenen vier Jahren beigetreten. In ihrer Begrüßungsansprache entschuldigte sich die Bundesvorsitzende, Andrea Hornung, bei der Friedensbewegung für die Ausrichtung des Kongresses während der Osterfeiertage. Man habe sich nicht leichtfertig dazu entschlossen, ausgerechnet diese Tage für das Treffen des höchsten Gremiums der Organisation zu nutzen und so auf eine Teilnahme an den traditionellen Ostermärschen zu verzichten.

Die rund 150 Delegierten aus mehr als 50 Städten hatten sich viel vorgenommen: Nach zweijähriger Diskussion sollte das neue »Zukunftspapier« beschlossen werden. Das letzte Papier dieser Art, das der SDAJ als programmatische Grundlage und »Richtschnur« dient, wurde »im selben Raum vor zwölf Jahren« beschlossen. Die Ortsgruppen und Landesverbände hatten die Diskussion um das Papier gründlich vorbereitet, die Antragskommissionen Hunderte Änderungsanträge bearbeitet und Empfehlungen zur Annahme und Ablehnung vorgelegt.

Eine erste Kontroverse entstand gleich zu Beginn um die Theorie der »antimonopolistischen Strategie/Demokratie«, einem ideologischen Konstrukt der DKP aus den 1970er Jahren. Kritische Stimmen sehen in dem Konzept ein Einfallstor für rechtsopportunistische Abweichungen. Interessanterweise führten sowohl Verfechter als auch Kritiker dieselben Beispiele als Beweise der Richtigkeit beziehungsweise Untauglichkeit der »antimonopolistischen Strategie« an: die sogenannten Arbeiterregierungen aus linken Sozialdemokraten und Kommunisten in Sachsen und Thüringen 1923 und die reformistische Allende-Regierung in Chile 1970–1973. Die Mehrzahl der Delegierten zeigten an dieser Frage jedoch kein herausgehobenes Interesse, weshalb die Debatte nur kurz und oberflächlich geführt wurde, bevor sie von der Kongressleitung beendet wurde.

Andere Punkte waren den Anwesenden wichtiger: Soll die Abschaffung des KPD-Verbots gefordert werden? Sollte ein konkreter Mindestlohn gefordert werden, auch auf die Gefahr hin, dass dieser durch die anhaltende Inflation bald überholt sein könnte? Wie realistisch ist die Forderung nach der Abschaffung von Schulnoten und/oder Prüfungen? – Einer »unserer zentralsten Politikbereiche«, so ein Delegierter. Ist die zusätzliche Nennung von Queerfeindlichkeit oder Homophobie neben Rassismus und Sexismus notwendig? Ein anderer Delegierter warnte an dieser Stelle vor einem »Abgleiten in die Identitätspolitik«.

Erfreulich waren die insgesamt mit großer Ernsthaftigkeit geführten Debatten und die meistens wohldurchdachten, immer wieder mit Bezügen auf die praktische Erfahrung angereicherten Redebeiträge selbst sehr junger Kongressteilnehmer. Auch hier zeigt sich ein Fortschritt gegenüber den vergangenen Jahren. Da allerdings ein Großteil der Anwesenden bereits bundesweite Schulungen besucht hatte und darüber hinaus in Ortsgruppen oder Landesverbänden Leitungsfunktionen erfüllt, ist nicht klar, inwiefern diese Beobachtung Rückschlüsse auf den allgemeinen Zustand der Organisation zulässt.

Auffällig war zudem der leider nach wie vor relativ niedrige Anteil von Delegierten mit Migrationsgeschichte. Das ist zwar ein altes Problem der deutschen Linken insgesamt, andere kommunistische Gruppen haben hier allerdings größere Fortschritte gemacht. Die beschlossene Einrichtung einer Plattform zum Austausch und zur kontinuierlichen Debatte auf Bundesebene könnte vor diesem Hintergrund ein Gewinn für die SDAJ darstellen, insbesondere, wenn es gelingt, mit anderen revolutionären Gruppen ins Gespräch zu kommen, die in den vergangenen Jahren in vielen Städten entstanden sind.

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