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Aus: Ausgabe vom 27.03.2024, Seite 15 / Antifaschismus
»Budapest-Komplex«

»Krimineller« Antifaselbstschutz

»Budapest-Komplex«: Bundesanwaltschaft erlässt neuen Haftbefehl gegen Maja T.
Von Oliver Rast
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Die Botschaft ist eindeutig: »Stoppt die Verherrlichung von Faschisten« (Budapest, 10.2.2024)

Es ist ein juristisches Tauziehen – um Tatvorwürfe, um Auslieferung, um Knast – im Verfahren zum sogenannten Budapest-Komplex. Am vergangenen Donnerstag hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe den neuen Chef der Bundesanwaltschaft (BAW), Jens Rommel, zurückgepfiffen: Dessen Antrag auf einen erweiterten Haftbefehl wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes gegen die nonbinäre Person Maja T. wurde abgelehnt. Entwarnung bedeutet das für die in Dresdner U-Haft sitzende Antifaschistin dennoch nicht.

Rückblende: Februar 2023, wie alljährlich ziehen Tausende Neonazis und Militaristen in einem folkloristisch anmutenden Aufzug am »Tag der Ehre« durch die Straßen der Hauptstadt Ungarns – und glorifizieren dabei die »Abwehrschlacht« um Budapest, geführt von Waffen-SS-Verbänden, Wehrmacht samt ungarischen Divisionen gegen die Rote Armee. Am Rande der Demonstration war es zu Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und Antifaschisten gekommen; einige der SS-Verehrer wurden dabei verletzt, teils schwer. Drei der mutmaßlich beteiligten Neonazigegner wurden vor Ort festgesetzt, weitere neun tauchten unter.

Vor rund vier Wochen hatte die BAW die Ermittlungen von der bisher ermittelnden Staatsanwalt in Dresden übernommen. Angeblich aufgrund der »besonderen Bedeutung« des Falls. Zuvor hatten Angehörige der Untergetauchten mitgeteilt, dass sich die Beschuldigten den Behörden stellen wollen – unter bestimmten Bedingungen, etwa nicht an Ungarn ausgeliefert zu werden. Offenbar zwecklos.

Die BAW konstruiert unterdessen eine »linksextremistische kriminelle Vereinigung« nach Paragraph 129 Strafgesetzbuch, die in Budapest vorgegangen sein soll. Und: Die BAW meint ferner, »dass das Verfahren in Ungarn gegenüber dem deutschen Ermittlungsverfahren Vorrang habe und Maja nach Auffassung der Ermittler aus Karlsruhe entsprechend ausgeliefert werden könne«, erklärte das Budapest Antifascist Solidarity Committee (BASC) am vergangenen Freitag in einem Statement.

Mittlerweile hat das Kammergericht Berlin gegen Maja T. den Beschluss über die Auslieferungshaft gefällt. Für eine Auslieferung gebe es keine »grundsätzlichen Hindernisse«, so das Gericht. In den kommenden Wochen ist mit einer finalen Entscheidung zu rechnen. Anwälte und Angehörige befürchten, dass vor einem ungarischen Gericht kein »fairer Prozess« gegen Transgender zu erwarten ist.

Nun wollte die BAW mit dem Mordvorwurf an der Eskalationsschraube drehen, beklagen Anwälte aus dem »Budapest-Komplex«. Das lehnte der BGH am Donnerstag voriger Woche ab. Ein Teilerfolg, mehr nicht. Denn der BGH bestätigte das 129-Konstrukt, was wiederum die BAW veranlasste, Maja T. nach Karlsruhe einfliegen zu lassen und einen neuen Haftbefehl als Ersatz für den des Amtsgerichts Dresden vom Dezember 2023 vorzulegen. Zudem bleibt: U-Haft samt Auslieferungsdrohung.

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