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Aus: Ausgabe vom 27.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Kriegsproduktion

EU sponsert Israels Drohnen

Unbemannte Flugkörper für die IDF, obwohl Brüsseler Richtlinien Förderung von Forschungsprojekten mit »militärischen Implikationen« untersagen
Von Knut Mellenthin
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Flugübung mit Mordwerkzeug an der Grenze des zionistischen Siedlerstaates und des Gazastreifens

Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Waffenlieferant Israels. Nach einem Bericht des Stockholm International Peace Research Institut (SIPRI) für 2023, der am Sonntag bekannt wurde, kamen 99 Prozent der israelischen Rüstungsimporte aus diesen beiden Ländern, davon rund 30 Prozent auf die BRD. Weit abgeschlagen folgte Italien mit 0,9 Prozent. Abgesehen von einem bei Airbus in Frankreich produzierten Hubschrauber kommen alle bemannten Flugzeuge der israelischen Luftwaffe aus den USA. In den letzten Monaten des vergangenen Jahres lieferten die USA Tausende Raketen und Bauelemente für ferngesteuerte Bomben, um den Krieg gegen die Bevölkerung des Gazastreifens in Gang zu halten. Die israelische Militärindustrie produziert solche Bauelemente nicht selbst.

Angesichts dieser Fakten und der immer weiter zunehmenden internationalen Isolierung Israels betonen seine Politiker und Medien die Notwendigkeit, sich auf allen Gebieten der Produktion und Infrastruktur so rasch und vollständig wie möglich »unabhängig zu machen«. Die kanadische Regierung hat am Dienstag voriger Woche nach einer nicht bindenden Resolution des Parlaments, die mit 204 gegen 117 Stimmen verabschiedet wurde, den Export von Militärgütern nach Israel eingestellt. Tödliche Waffen hatte der Staat im Norden der USA schon seit Januar nicht mehr geliefert. Zuvor hatte Italiens Außenminister Antonio Tajani (Forza Italia) am 21. Januar in Interviews mit mehreren Medien mitgeteilt, dass schon seit dem Beginn des Krieges gegen den Gazastreifen keine Waffen mehr nach Israel exportiert würden.

Gleichzeitig fördert die EU mit finanziellen Zuschüssen israelische »Forschungen«, die eine offensichtliche Dual-Use-Funktion haben, also sowohl militärisch wie zivil genutzt werden können, ohne dass diese seit über 20 Jahren praktizierte Zusammenarbeit bis jetzt eine angemessene öffentliche Aufmerksamkeit gefunden hat. Insbesondere geht es dabei um unbemannte Flugkörper, sogenannte Drohnen, die für die Kriegführung immer größere Bedeutung gewinnen. Zu diesem Thema haben die Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) und die friedenspolitische britische NGO Statewatch am Freitag voriger Woche eine gemeinsame Analyse veröffentlicht.

Israel sei schon seit 1996 an »Forschungs- und Innovationsprogrammen« der EU beteiligt, heißt es in einem von 300 Menschen aus universitären Bereichen unterzeichneten offenen Brief, in dem die EU-Organe aufgefordert werden, die für diese Projekte geltenden Regeln zu überprüfen und die Beteiligung an Forschungskooperationen auszuschließen, die »direkt oder indirekt« – im Text hervorgehoben – »die internationale Gesetzlichkeit und die Menschenrechte verletzen«. Von 2014 bis 2024 seien israelische Organisationen, »einschließlich militärischer Firmen und Institutionen«, 2.105 mal an solchen Projekten beteiligt gewesen und hätten in dieser Zeit insgesamt 1,28 Milliarden Euro aus EU-Fonds erhalten, heißt es weiter in dem Aufruf.

Formal ist es nach den Bestimmungen des EU-Vertrages und der EU-Kommission im Bereich der Forschung nicht erlaubt, »Ausgaben zu finanzieren, die sich aus Operationen mit militärischen oder verteidigungsrelevanten Implikationen ergeben«. In der Praxis lässt sich keine Linie ziehen, die »sauber« zwischen ziviler und militärischer Forschung und Nutzung trennt. Die IMI und die britische Statewatch verweisen in ihrer Studie plausibel darauf, dass nicht nur international bedeutende israelische Rüstungsunternehmen, sondern auch Israels Verteidigungsministerium EU-Zuschüsse in Millionenhöhe für Forschungsprojekte erhalten, die als »zivil« deklariert werden. In Wirklichkeit profitiert die europäisch-israelische »Forschungs- und Entwicklungsarbeit« enorm von den Erfahrungen im Kriegseinsatz. Gerade das macht die Sache für Länder wie die BRD, die auf diesem Gebiet bisher große Defizite haben, aber einen »Platz an der Sonne« anstreben, so interessant.

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