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Aus: Ausgabe vom 27.03.2024, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Hoffnung auf Befreiung

Israel: Angesichts der Schrecken des Gazakriegs wächst Widerstand. Auch Kritik an Besatzung wird laut
Von Anne Herbst, Tel Aviv
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Wenig schmeichelhafter Vergleich: Netanjahus Konterfei mit dem des kolumbianischen Drogenbosses Pablo Escobar (Tel Aviv, 23.3.2024)

Der Druck aus der israelischen Bevölkerung auf die Regierung wächst. In Tel Aviv versammeln sich wöchentlich Hunderte von Demonstranten vor dem Verteidigungsministerium und klagen den Premierminister als Verbrecher an: »Bibi Escobar« war unlängst auf einem Plakat zu lesen, auf dem Benjamin Netanjahu mit dem berüchtigten kolumbianischen Drogenboss verglichen wurde. Einige Oppositionelle haben ein kleines Zeltcamp auf der Wiese vor der Knesset aufgebaut, um ihrem Verlangen nach sofortigen Neuwahlen Ausdruck zu geben. Andere besetzen wieder und wieder die Stadtautobahn – sogar während des dichten Berufsverkehrs. »Ich habe nur leere Worte gehört, und nichts ist passiert«, berichtet eine an den Blockaden beteiligte Frau von ihren Gesprächen mit Regierungsvertretern – ihr Sohn ist am 7. Oktober von der Hamas aus dem Kibbuz Nir Oz entführt worden. Proteste auch vor dem US-Konsulat: »Biden, du kannst dich nicht vor der Verantwortung für den Genozid drücken«, so ein Slogan, den neulich rund 50 Demonstranten aus dem linken Spektrum skandierten. Auf Transparenten wurde »Essen statt Bomben!« gefordert.

Ähnliche Bilder aus dem Süden des Landes: Anfang des Monats protestierten linke Aktivisten mit einem Banner – mit der Aufschrift »Blut klebt an euren Händen« – vor Chazerim, dem Stützpunkt der israelischen Luftwaffe am Rande der Negevwüste. Bewohner aus Beer Scheva und anderen Städten treffen sich regelmäßig, um an Straßenkreuzungen für ein Ende des Krieges zu demonstrieren.

Viele Kundgebungen und andere Aktionen werden von dem jüdisch-arabischen Friedensnetzwerk »Standing Together« initiiert, eine Graswurzelbewegung. Die stark geschwächte israelische Linke hat kein großes Mobilisierungspotential, aber das Totalversagen und die Rücksichtslosigkeit der ultrarechten Regierung schweißen zusammen. Nicht wenige Israelis sind entsetzt über die Gewaltexzesse des israelischen Militärs und dessen Kriegführung des Aushungerns im Gazastreifen und organisieren auf eigene Faust humanitäre Hilfe: Nach einem Aufruf von »Standing Together« bewegte sich am 7. März ein Konvoi mit rund 30 Fahrzeugen, die Mehl, Zucker, Babynahrung und -windeln geladen hatten, zum Grenzübergang Kerem Schalom. Die Aktivisten wurden von der Polizei gestoppt, aber sie kündigten an wiederzukommen.

Auch in vorwiegend von Arabern bewohnten Regionen trauen sich Menschen auf die Straße. Am 9. März organisierte die Koalition sozialistischer und kommunistischer Parteien Chadasch in Umm Al-Fahm eine »arabisch-jüdische Demonstration«. Es kamen Hunderte, um in der Stadt im Norden nahe der Grenze zum Westjordanland gegen »den Krieg der Vernichtung, Zerstörung, Tötung von Kindern und Hunger« zu marschieren.

Vergleichbaren Widerstand gibt es auch in den besetzten Gebieten: Mitte des Monats trafen sich palästinensische und israelische Aktivisten in Masafer Jatta, um in einem improvisierten Freiluftkino den auf der Berlinale ausgezeichneten Dokumentarfilm »No Other Land« aufzuführen. Die Vorstellung in einer der Ortschaften südlich von Hebron, deren Bewohner von Zwangsumsiedlungen und dem Terror rechter Siedler betroffen sind, war bis auf den letzten Platz besetzt. Anwesend war auch Basel Adra, einer der Filmemacher neben Yuval Abraham. »Es ist schwer, einen normalen Alltag zu leben, während Menschen in diesem nicht enden wollenden Krieg durch Hunger und Bomben sterben. Aber es muss irgendwie weitergehen«, sagte Adra unter großem Applaus des Publikums. »Wir werden nicht aufhören, über Gaza und Masafer Jatta zu reden – in der Hoffnung, dass der Tag der Befreiung von der Besatzung kommen wird.«

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