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Aus: Ausgabe vom 27.03.2024, Seite 6 / Ausland
Senegal

Panafrikanist gewinnt

Senegal: Linker Oppositionskandidat in erster Runde zum Präsidenten gewählt. Sorgen vor Umbruch bei ausländischen Geldgebern
Von Georges Hallermayer
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Hoffnungsträger der Jugend: Anhänger von Diomaye Faye feiern seinen Wahlsieg (Dakar, 24.3.2024)

Überraschendes Ergebnis der Präsidentschaftswahl im Senegal: Nach einem hitzigen Wahlkampf und einer Beteiligung von 71 Prozent der 7,3 Millionen registrierten Wähler fiel die Entscheidung unerwartet bereits im ersten Durchgang und zwar sehr deutlich, auch wenn das offizielle Ergebnis noch nicht feststeht. Es sei »ein politisches Erdbeben«, so Le Monde Afrique, dass der Kandidat einer verbotenen Partei, der 44jährige Steuerinspektor Bassi­rou Diomaye Faye, mit knapp 60 Prozent der Stimmen gewonnen hat. In der Hauptstadt Dakar feierten die Menschen mit Hupkonzerten und lauter Musik. Amadou Ba, der Kandidat der Regierungskoalition, kam auf etwa 34 Prozent. Überraschend auch, dass alle politischen Schwergewichte der letzten Jahre zusammen nur rund zehn Prozent auf sich vereinigen konnten.

Oppositionsführer Ousmane Sonko, wegen »Korrumpierung der Jugend« zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und von der Wahl ausgeschlossen, nominierte seinen Parteivize Diomaye Faye als »seinen« Kandidaten. Auch er saß im Gefängnis – angeklagt wegen Missachtung des Gerichts und Verleumdung von Richtern –, wurde aber wie Sonko zehn Tage vor der Wahl freigelassen. Die Regierung hatte ein allgemeines Amnestiegesetz erlassen, um politische Spannungen vor dem Urnengang abzubauen. Sonko, 2022 zum Bürgermeister der Stadt Ziguinchor gewählt, kämpfte in den letzten Jahren mit seiner linken, panafrikanischen Partei PASTEF nicht nur gegen lokale Korruption, sondern organisierte auch Massenproteste gegen eine erneute Kandidatur des nun scheidenden Präsidenten Macky Sall. Dem hatte es nicht geholfen, PASTEF im Juli letzten Jahres zu verbieten und ihre Führungsriege zu inhaftieren. Eine Koalition von mehr als 100 Parteien und einige politische Schwergewichte schlossen sich Fayes Kampagne unter dem Motto »Doimaye mooy Sonko« an, was in der lokalen Wolofsprache »Diomaye ist Sonko« bedeutet.

Einer der Verantwortlichen der unterlegenen Regierungskoalition, der Generalsekretär der Partei PJD und religiöse Führer Scheich Ibrahima Diallo, macht Sall für die Niederlage, den chaotischen Wahlkampf und die versuchte Verschiebung der Wahlen auf September verantwortlich. Das Staatsoberhaupt habe »die Senegalesen in die Arme der Opposition getrieben«, denn Diomaye Faye sei »sein wirklicher Kandidat« gewesen. Wie sonst sei »der Zeitpunkt seiner Freilassung zusammen mit Ousmane Sonko« zu verstehen? Diese »Umkehr- oder Suizidstrategie« werde Sall hoffentlich »in seinen Memoiren« erklären.

»Endlich die Erlösung«, jubelte dagegen Ciré Clédor Ly, einer der Anwälte Sonkos. Der Sieg Fayes sei »mehr als eine Wahl, es ist eine Revolution und ein Referendum für die vollständige Souveränität und die Übernahme der Verantwortung für das eigene Schicksal durch das senegalesische Volk«, zitierte ihn die Nachrichtenseite Senego. Das senegalesische Volk habe gerade »den Hauptwiderspruch gelöst, der darin bestand, das Mammut, den Neokolonialismus und die Kompradoren zu besiegen«.

In seinem ersten Auftritt am Montag sagte der designierte Staatschef: »Das senegalesische Volk hat sich für den Bruch entschieden, um der enormen Hoffnung, die unser Gesellschaftsprojekt geweckt hat, Gestalt zu verleihen.« Er versprach, »mit Demut transparent zu regieren« und verpflichtete sich, »die Korruption zu bekämpfen, die die Wirtschaft des Landes untergräbt«. Am Dienstag umriss er die weiteren Prioritäten und kündigte an, die innenpolitischen Konflikte in inklusiven Dialogen der »nationalen Versöhnung« zu überwinden. Er wolle das Wirtschaftswachstum stimulieren, Arbeitsplätze schaffen und den fairen Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen garantieren. In Richtung der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS wünscht sich Faye, »bestehende Lücken zu korrigieren« und mit einer neuen Strategie die regionale Integration zu fördern. Diese Ankündigungen und sein im Wahlkampf geäußertes Vorhaben, den kolonialen CFA-Franc zugunsten einer regionalen Währung abschaffen zu wollen, verursacht unterdessen Panik im Investorenbereich. Anleger befürchteten – so Reuters –, dass die Präsidentschaft Fayes die wirtschaftsfreundliche Politik seines Vorgängers aufweichen könnte.

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