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Aus: Ausgabe vom 26.03.2024, Seite 6 / Ausland
Ecuador

Linke Bürgermeisterin ermordet

Ecuadors rechter Präsident führt destruktive Vorgängerpolitik fort
Von Volker Hermsdorf
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Bürgermeisterin Brigitte García gehörte zu den Hoffnungsträgerinnen der linken Partei »Revolución Ciudadana« (Archivbild)

In Ecuador beherrschen Gewalt und Terror noch immer den Alltag. Am Sonntag (Ortszeit) wurden die jüngste Bürgermeisterin des Landes, Brigitte García, und einer ihrer Berater erschossen in einem Auto in der Provinz Manabí aufgefunden. Die 27jährige Bürgermeisterin der Kleinstadt San Vicente gehörte der vom ehemaligen Präsidenten Rafael Correa gegründeten linken Partei »Revolución Ciudadana« (RC) an. Zuletzt war im vergangenen August der Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio auf offener Straße getötet worden.

In einer Erklärung verurteilte die Regierung des rechten Präsidenten Daniel Noboa die Morde und erklärte, sie arbeite mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft zusammen, um eine rasche Untersuchung zu gewährleisten. Doch obwohl Noboa erst Anfang des Monats den im Januar von ihm verhängten Ausnahmezustand abermals verlängert hatte, eskaliert die Gewalt erneut. Correa und die bei den jüngsten Wahlen vom Herbst vergangenen Jahres unterlegene Präsidentschaftskandidatin der RC, Luisa González, äußerten sich schockiert und kritisierten die Sicherheitsstrategie der Regierung. Trotz Militärs auf den Straßen und dem sogenannten internen Krieg gegen das organisierte Verbrechen halte der Terror mit Entführungen, Erpressungen, Bombendrohungen und Morden weiterhin an. »Mir fehlen die Worte, niemand ist in Ecuador sicher, niemand, während die elenden rechten Regierungen nur zum Spaß und zur Show leben«, schrieb González, die auch Vorsitzende der »Revolución Ciudadana« ist, auf der Plattform X. »Ich bin am Boden zerstört. Ich kann es nicht glauben«, so Expräsident Correa entsetzt. »Genug ist genug!«, fügte er hinzu.

Auch rechte Politiker werfen Noboas Regierung Versagen vor. »Sie haben die Frechheit zu sagen, alles sei in Ordnung! Aber die Zahl der gewaltsamen Todesfälle hat Woche für Woche zugenommen. Tägliche Morde, tödliche Hinterhalte, die jüngste Bürgermeisterin ermordet in San Vicente. Und Sie wiederholen genau die gleiche Sicherheits- und Wirtschaftspolitik der Vorgängerregierungen: mehr Ausnahmezustände, mehr Steuern. Glauben Sie, dass Sie mit einer Tausend-Dollar-Brille den Blick für die Realität verstellen können?« zitierte der regionale Sender Radio Pichincha den ehemaligen Söldner und Präsidentschaftskandidaten des rechten Partido Social Cristiano, Jan Tópic. In einem Kommentar stellte der beliebte Radiosender der Provinz Pichincha, zu der auch die Hauptstadt Quito gehört, einen Zusammenhang zwischen Noboas neoliberaler Wirtschaftspolitik und der Gewalt im Lande her. »Wir sagen es schon seit einigen Wochen: Die Verbrechenswelle reißt nicht ab, die Auswanderung und der Massenexodus der Ecuadorianer nehmen weiter zu, der Tod von Kindern durch eine verirrte Kugel oder aus Mangel an Nahrung und medizinischer Versorgung ist an der Tagesordnung. Hier zählt, dass die Preise steigen, dass es keinen Lohn gibt, der für die Armen reicht, dass die Beschäftigung nicht gewachsen ist, dass es weniger Schüler in den Klassenzimmern gibt und mehr auf der Straße und in kriminellen Banden«, so der Sender am Sonntag abend.

Ecuador galt unter dem linken Präsidenten Rafael Correa (2007–2017) als einer der friedlichsten Staaten Lateinamerikas. Mit der Abkehr von dessen Projekt der Bürgerrevolution begann 2017 der Abstieg des heute knapp 18 Millionen Einwohner zählenden Landes. In nur sieben Jahren trug die neoliberale Politik unter den Präsidenten Lenín Moreno und Guillermo Lasso dann maßgeblich dazu bei, Ecuador in das Land mit der höchsten Mordrate in der Region zu verwandeln. Die Zahl der Getöteten hat sich von rund 4.600 im Jahr 2022 bis Ende vergangenen Jahres auf knapp 7.500 erhöht. Nahezu jede Stunde stirbt dort heute ein Mensch durch kriminelle Gewalt. Unter Moreno und Lasso wurde Ecuador zur Drehscheibe für den internationalen Drogenhandel, vor allem mit den USA und Europa. Seitdem eskalieren auch Bandenkriminalität und Gewalt. Noboa übernahm von Lasso einen Staatsapparat, der in Teilen von Drogenkartellen kontrolliert wird.

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