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Aus: Ausgabe vom 25.03.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Arbeit ohne Wert

Zu jW vom 2./3.3.: »Wurzeln der Gewalt«

Der Artikel von Karl-Heinz Dellwo verweist auf ein wesentliches Thema der politischen Ökonomie. Es zeigt sich, wie bis heute abenteuerlichste, moralisierende, unwissenschaftliche, vormarxsche Auffassungen zu kapitalistischer Ausbeutung bestehen.

Der eigentliche Inhalt der Ausbeutung ist den meisten bis heute fremd. (…) Dabei verbirgt sich nichts anderes als die Aneignung von Mehrarbeit durch die besitzende und herrschende Klasse im Kapitalismus dahinter, wie sie sich unterscheidet von Ausbeutung und Aneignung vorkapitalistischer Gesellschaften.

»Je weiter wir den Verwertungsprozeß des Kapitals verfolgen, um so mehr wird sich das Kapitalverhältnis mystifizieren, und um so weniger das Geheimnis seines inneren Organismus bloßlegen.« (Marx: Kapital, Bd.III)

Mit Entdeckung des Mehrwerts wurde bewiesen, dass die Aneignung unbezahlter Arbeit die Grundform der kapitalistischen Produktionsweise und der durch sie vollzogenen Ausbeutung des Arbeiters ist; dass der Kapitalist, selbst wenn er die Arbeitskraft seines Arbeiters zum vollen Wert kauft, den sie als Ware auf dem Warenmarkt hat, dennoch mehr Wert aus ihr herausschlägt, als er für sie bezahlt hat; und dass dieser Mehrwert in letzter Instanz die Wertsumme bildet, aus der sich die stets wachsende Kapitalmasse in den Händen der besitzenden Klassen aufhäuft. Der Hergang sowohl der kapitalistischen Produktion wie der Produktion von Kapital war erklärt. Nach Gesetzen der Warenproduktion liegt kein Betrug vor. Waren werden zu ihren Werten ge- und verkauft. Die privatkapitalistische Aneignung des Mehrwerts ist der Betrug.

Bis heute ist es das bestgehütete Geheimnis des Kapitalismus, des wachsenden Reichtums der Produktionsmittelbesitzer, der Ausbeutung der Produktivkraft Mensch.

Bei der Kategorie des Profits und somit auch bei der Profitrate handelt es sich für Karl Marx um mystifizierte Formen, da sie sich unterschiedslos auf das eingesetzte Gesamtkapital beziehen. Sowohl das eingesetzte konstante Kapital, also Maschinen, Rohstoffe etc., als auch das variable Kapital, also die eingesetzte Arbeitskraft, erscheinen als wertbildende Größen. Nach Marxscher Arbeitswertlehre setzt aber allein die lebendige Arbeit einen Wert hinzu. Von Ausbeutung ist keine Rede, und somit entspricht das dem bürgerlichen Bewusstsein.

Alle bis heute bestehenden Verwirrungen, Unwissenheit, Unklarheit beruhen auf der Mystifikation des Mehrwerts. Selbst Marx brauchte einen Erkenntnisweg, bis er herausfand, dass nicht die Arbeit, sondern allein die Arbeitskraft Mehrwert erzeugt.

Dem Anschein nach gibt der Arbeiter seine Arbeit dem Kapitalisten und erhält eben diese auch in Form des Lohnes bezahlt. Demnach wäre Arbeit die Ware. Als solche müsste sie Wert haben. Der Wert einer Ware wird durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit bestimmt.

Was wäre dann der Wert der Arbeit? Arbeit, das ist die produktive Tätigkeit der Arbeiter.

Gemessen wird sie in Zeit – in Arbeitszeit. Wie groß wäre nun der Wert eines achtstündigen Arbeitstages? Acht Stunden Arbeit sind acht Stunden Arbeit wert. Das ergäbe, dass Arbeit durch Arbeit geschaffen werde. Das ist unsinnig! Die Arbeit selbst kann also keine Ware sein.

Die Arbeit selbst besitzt keinen Wert, sie schafft vielmehr Mehrwert. Verkauft wird die Fähigkeit, Arbeit zu leisten. Vor Marx meinten Kritiker Diebstahl darin zu erkennen, was aber die kapitalistische Marktwirtschaft nicht erklärt. Das war die Tat von Marx, der Licht in das Dunkel brachte. (…)

Roland Winkler, Aue

»Selbstvermietung auf Zeit«

Zu jW vom 2./3.3.: »Wurzeln der Gewalt«

Man muss dieses Thema sogar noch weiter »entmoralisieren«; schlimmer als ausgebeutet zu werden ist nämlich, über keine Produktionsmittel zu verfügen und auch keinen »Employer« zu finden, dem man »die eigene Arbeitskraft verkaufen«, also sich selbst vermieten kann. (Dann kann man nur noch entweder betteln, stehlen oder verhungern.) Das ist im Grunde wie beim Leasing bzw. Mieten z. B. eines Fahrzeugs: Ob ich mit diesem ein hoch lukratives Geschäft, etwa eine Fahrt für Dritte, realisiere oder das geleaste Fahrzeug von mir gar nicht gewinnbringend genutzt werden konnte, geht den Besitzer, also Vermieter oder Leasinggeber, gar nichts an. Das ist mein unternehmerisches Risiko. Erst dadurch, dass es eine ganze Klasse von »Arbeitsuchenden«, also zur Selbstvermietung auf Zeit, vulgo »zum Verkauf der Arbeitskraft Gezwungenen« gibt, kann die Leihgebühr, der Lohn bzw. das Gehalt durch die Klasse der Kapitalbesitzer, vulgo Kapitalisten, bis ins Unerträgliche gedrückt werden. (…)

Immer wird A durch B »angeheuert« und tritt auf befristet-vertraglicher Basis die Verfügung über sich selbst, also »die eigene Arbeitskraft«, Schaffenskraft, Schöpferkraft, Gesangsstimme, die eigenen Fußballerbeine usw. ab. B wird nicht Besitzer, sondern nur zeitweilig Verfügungsberechtigter über die nützlichen, also für ihn profitablen Eigenschaften von A. Kann aus ihm kein Profit mehr gezogen werden, droht die existentielle Vernichtung, anders als in der frühen Sklaverei und im Feudalsystem, wo der Herr zumindest de jure die notdürftige Existenz seiner Sklaven oder Feudalbauern zu sichern hatte! (…)

Volker Wirth, Berlin

Immer staatstragend

Zu jW vom 18.3.: »Früh übt sich«

Wenn Sabine Bessel in ihrem Leserbrief in der jW vom 21. März der Auffassung ist, dass der Staatsbürgerkundeunterricht indoktrinär gewesen sei, möchte ich das in der begrifflichen Form zum Ausdruck bringen, dass er staatstragend war. Aber was ist denn der Politikunterricht an bundesdeutschen Schulen, wenn nicht auch staatstragend? Es ist eine Tatsache, dass aller Geschichts-, Politik- oder Ethikunterricht, in welchem gesellschaftlichen System auch immer, staatstragend und niemals neutral, wie so gern in der Bundesrepublik behauptet wird, ist. Damit steht fest, dass der politische Unterricht in der DDR seinem Wesen nach humanistisch und friedensbildend war. Das ist einfach nicht zu leugnen.

Knut-Michael Haase, Ostseebad Heringsdorf

A wird durch B »angeheuert« und tritt auf befristet-vertraglicher Basis die Verfügung über sich selbst, also »die eigene Arbeitskraft«, Gesangsstimme, die eigenen Fußballerbeine ab.

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