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Aus: Ausgabe vom 25.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
»Russlands Schattenflotte«

Boykott gegen Sowkomflot

Indische Raffineriebetriebe verweigern Geschäfte mit russischer Reederei und setzen US-Sanktionen damit umfassender um als verlangt
Von Knut Mellenthin
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Der Rohölfrachter »NS Creation« der russischen Tankergruppe Sowkomflot im Bosporus (Istanbul, 6.5.2022)

Das US-amerikanische Informations- und Nachrichtenunternehmen Bloomberg meldete am Freitag auf seiner Website, dass sich alle indischen Raffineriebetriebe weigerten, Rohöl zu verarbeiten, das mit Tankern der Reederei Sowkomflot transportiert wurde. Der Boykott des größten russischen Schifffahrtsunternehmens durch seine indischen Kunden hatte sich ausgeweitet, nachdem das US-amerikanische Finanzministerium am 23. Februar Strafmaßnahmen gegen Sowkomflot und 14 Tanker, die der Reederei zugerechnet werden, verhängt hatte. Die Anordnung enthält eine Schonfrist von 45 Tagen für die Entladung des Öls von diesen Schiffen. Transaktionen mit allen anderen Schiffen von Sowkomflot bleiben zunächst gestattet. Die indischen Raffinerien hätten also, sofern die Darstellung von Bloomberg zutrifft, schneller und umfassender reagiert, als von ihnen verlangt wurde. Gleichzeitig wird berichtet, dass die indischen Verarbeiter in den vergangenen Wochen soviel US-amerikanisches Erdöl gekauft haben wie zuletzt im Mai 2023.

Das Finanzministerium, das Außenministerium und das Handelsministerium der USA haben am 23. Februar neue Strafmaßnahmen gegen insgesamt rund 600 Firmen, Einrichtungen und Einzelpersonen angeordnet. Begründet wird das mit dem zweiten Jahrestag des Krieges gegen die Ukraine und mit dem Tod von Alexej Nawalny in Haft. Die Gesamtzahl der Körperschaften und Individuen, die Ziel »russlandbezogener« Sanktionen der US-Regierung sind, ist damit nach Angaben des Finanzministeriums auf mehr als 4.000 gestiegen. Zusammen mit den Maßnahmen von Partnerstaaten rund um die Welt trügen die Sanktionen dazu bei, »Russlands Fähigkeit zur Gewinnung von Einnahmen, aus denen es seinen Krieg finanziert, einzuschränken und die Bemühungen des Kremls zu stören, eine Kriegswirtschaft aufzubauen«.

Die Regierungen der USA, der G7-Staaten, der EU und Australiens haben im Dezember 2022 einen generellen »Preisdeckel« für den Handel mit russischem Erdöl vereinbart. Die Höchstgrenze wurde auf 60 Dollar pro Barrel festgesetzt. Westliche Firmen wie Schiffsversicherungen, Finanzinstitute und Dienstleister dürfen sich am Transport von Rohöl und der russischen Ölproduktion nur beteiligen, wenn der Verkauf unterhalb dieser Preisgrenze erfolgt. Das ist von diesen Firmen aber nicht einfach und zuverlässig zu kontrollieren, so dass die meisten die Finger von solchen Geschäften lassen wollen.

Das hat dazu geführt, dass Russland für den Export verstärkt eigene Schiffe einsetzt und russische Versicherungen an die Stelle der westlichen getreten sind. Westliche Medien beschwören ständig die angeblichen Gefahren, die von einer russischen »Schattenflotte« ausgehen, die mit mehr als 15 Jahre alten, reparaturbedürftigen Tankern die Meere und Küstengewässer befahre und dabei entweder gar nicht oder unzureichend gegen Zusammenstöße und vor allem gegen das Risiko großer Umweltschäden versichert sei. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang an die Havarie der »Exxon Valdez« im März 1989 erinnert, die eine riesige Umweltkatastrophe mit schweren Folgen auslöste. Dieser Tanker fuhr allerdings unter dem Sternenbanner und für einen der größten Mineralölkonzerne der USA.

Das US-amerikanische Onlinenachrichtenmagazin, das seit 2021 zum deutschen Springerkonzern gehört, titelte am 30. Oktober vorigen Jahres, »Russlands Schattenflotte« sei »eine Katastrophe, die darauf wartet, dass sie passiert«. Zwei Drittel der Tanker, die russisches Erdöl transportieren, hätten keine identifizierbare Versicherung, hieß es dort, ohne dass die Behauptung auch nur ansatzweise überprüfbar wäre. Die Zahl der zur »Schattenflotte« gehörenden Schiffe wurde äußerst vage mit »400 bis 650« angegeben, und sie wachse weiterhin. Hinzuzurechnen wären einige hundert Tanker, die für den Iran oder Venezuela fahren, und ebenfalls mit westlichen Sanktionen belegt sind. Aber über einen Zwischenfall mit einem unterversicherten »Schattenschiff« ist bisher nichts bekannt.

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