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Aus: Ausgabe vom 23.03.2024, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Mehr ist nicht drin

Von Arnold Schölzel
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Zusammen mit dem Politikwissenschaftler Hajo Funke, dem Historiker Peter Brandt und dem früheren Sicherheitsberater Helmut Kohls und ehemaligem Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik, veröffentlichte General a. D. Harald Kujat am 28. August 2023 in der Schweizer Internetzeitung Zeitgeschehen im Fokus einen Vorschlag für Frieden im Ukraine-Krieg. Die Überschrift lautete: »Den Krieg mit einem Verhandlungsfrieden beenden. Legitime Selbstverteidigung und das Streben nach einem gerechten und dauerhaften Frieden sind kein Widerspruch.« Laut dem Vorschlag soll der UN-Sicherheitsrat gemäß Artikel 24 Absatz 1 der UN-Charta einen Zeit- und Ablaufplan für einen Waffenstillstand und für Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges und die Wiederherstellung des Friedens beschließen.

Das Papier wurde in Politik und Medien der Bundesrepublik weitgehend totgeschwiegen. Interviews mit den Autoren waren tabu, das scheint sich zu ändern. Kujat wurde zum Beispiel im Deutschlandfunk am 27. Februar interviewt, am 5. März im Podcast von The Pioneer – beides hörenswert. Der einstige Generalinspekteur und Leiter des NATO-Militärausschusses (wo der heutige CDU-Kriegswüterich Roderich Kiesewetter, der Kujat »Russland-Romantik« bescheinigt, einst im Stab Kujats arbeitete) erläuterte dort, dass der TAURUS-Marschflugkörper strategische Ziele Russlands angreifen könne. Deswegen unterstützt Kujat die Weigerung, ihn an die Ukraine zu liefern.

Am Donnerstag interviewte ihn Dörthe Nath für RBB 24 Inforadio. Am Tag zuvor hatte Olaf Scholz erklärt: »Russland ist nicht stark.« Sehe der General bei der EU auch die vom Kanzler proklamierte »Geschlossenheit und Durchhaltekraft«? Kujat: »Nicht so richtig.« Das Problem sei nicht die EU, sondern seien die USA. Die EU könne deren Ausfall nicht ausgleichen. Es werde viel über Finanzen, Waffen und Munition gesprochen, aber die USA leisteten viel mehr: Die Offensive der ukrainischen Armee im vergangenen Jahr sei im wesentlichen von US- und britischen Militärs ausgearbeitet worden. Die USA versorgten zudem Kiew mit Informationen, die es dringend brauche, »um den Krieg überhaupt führen zu können«. Und Kujat erinnerte an die CIA-Bunker entlang der Grenze zu Russland.

Teilt er die Einschätzung des Kanzlers, Russland sei innerlich schwach? Das könne man von außen so genau nicht bewerten. Aber: »Die russischen Streitkräfte sind wesentlich stärker als vor dem Beginn des Krieges, sie sind auch stärker als in den 80er Jahren.« Der Ukraine fehlten dagegen nach »erheblichen Verlusten« vor allem Soldaten. Die Front erstrecke sich über 1.300 Kilometer und sei sehr stark ausgedünnt. Nath weiter: Kujat habe davon gesprochen, dass sich die Ukraine »auf dem Weg zur Niederlage« befinde. Der General meint, das hätten inzwischen selbst die begriffen, die immer vom Sieg der Ukraine gesprochen hätten. Die russischen Truppen bewegten sich auf der gesamten Front langsam nach vorn. Bei einigen militärischen Fähigkeiten hätten sie zudem »eine enorme Überlegenheit«. Ausgeschlossen sei, was auch US-Militärs so sähen, ein ukrainischer Sieg, nur in Deutschland gebe es eine »gewisse Kriegsromantik«. Die entscheidende Frage sei, ob die Ukraine die strategische Lage zu ihren Gunsten wenden könne. Kujat: »Nein, das haben wir mit den Panzern nicht vermocht, das werden wir mit dem TAURUS nicht vermögen.« Und ausreichend Munition? »Völliger Unsinn.« Die reiche für ein paar Tage oder Wochen, aber Kiews Armee sei schon lange nicht zu »einer offensiven Gefechtsführung in der Lage«. Die USA hätten der Ukraine eine strategische Defensive empfohlen: »Mehr ist nicht drin.«

Kriegstüchtig ist dieser General nicht.

Ist Russland innerlich schwach? Kujat: »Die russischen Streitkräfte sind wesentlich stärker als vor dem Beginn des Krieges, sie sind auch stärker als in den 80er Jahren.«

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (28. März 2024 um 09:38 Uhr)
    Die Realität verdeutlicht, dass Russland nicht so schwach ist, wie der Westen es annahm, jedoch entspricht es auch nicht den Grad der Stärke, den es gerne haben möchte.

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