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Aus: Ausgabe vom 23.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
China Development Forum

Forum für Westinvestitionen

Start des internationalen Entwicklungsforums in China. Westkonzerne haben insbesondere starke Konkurrenz aus der Volksrepublik zu besprechen
Von Jörg Kronauer
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Soll er reinkommen: Apple-Chef Tim Cook bei der Eröffnung des weltweit zweitgrößten Apple-Stores in Shanghai

Timothy Cook quoll fast über vor Lob. Nein, es gebe für seinen Konzern »keinen wichtigeren Ort als China«, schwärmte der Apple-Chef, als er am Mittwoch auf dem Bund, Shanghais berühmter Uferpromenade am Huangpu, entlangspazierte. Am Donnerstag sollte im Stadtzentrum von Shanghai ein neuer Apple Store – der zweitgrößte der Welt – eröffnet werden, ein Ereignis, dem Cook größere Bedeutung beimaß als sonst: Sein Unternehmen ist – insbesondere wegen des neuen Huawei-Booms auf dem chinesischen Smartphonemarkt – in der Volksrepublik stark in die Defensive geraten.

Cook ließ sich denn auch werbewirksam am Bund neben dem populären chinesischen Schauspieler Zheng Kai filmen, postete ein Video davon auf dem chinesischen X-Pendant Weibo. Der Anlass seiner Reise in die Volksrepublik war aber ein anderer: Cook wird an diesem Wochenende in Beijing erwartet – zum Auftakt des diesjährigen China Development Forums.

Das China Development Forum findet seit dem Jahr 2000 regelmäßig kurz nach der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses statt. Es dient der Pflege der Beziehungen zu Investoren aus dem Ausland; eingeladen werden vornehmlich Konzernchefs aus dem Westen. Organisiert wird das Treffen vom einflussreichen Development Research Center, einer Art Denkfabrik für zentrale ökonomische Fragen, die unmittelbar dem Staatsrat, der Regierung der Volksrepublik, unterstellt ist.

Gewöhnlich sind führende Regierungsvertreter anwesend, in der Regel der Ministerpräsident, der tendentiell für die konkrete Wirtschaftsplanung in der Volksrepublik zuständig ist. Ob Li Qiang auch in diesem Jahr für Gespräche mit den Konzernchefs zur Verfügung stehen wird, blieb bis zuletzt ungewiss. Schon die Streichung der traditionellen Pressekonferenz des Ministerpräsidenten während der Jahrestagung des Volkskongresses hat gezeigt: Beijing setzt zur Zeit auf eine stärkere Konzentration der Macht beim Chef von Staat und Partei.

Probleme, die zu diskutieren das China Development Forum wohl der geeignete Ort wäre, gibt es zur Genüge. Nicht nur Apple gerät durch starke chinesische Konkurrenz unter Druck. Auch andere Konzerne, Tesla etwa, sehen sich zunehmend mächtigen chinesischen Rivalen gegenüber – nicht nur, aber doch in besonderem Maß auf dem riesigen chinesischen Markt. Hinzu kommt, dass die Volksrepublik, auch wegen der andauernden Immobilienkrise, stark auf die Industrieproduktion setzt, um weiter zu wachsen; das setzt die Industrie nicht nur in den USA, sondern auch in Europa auf breiter Fläche unter Druck.

Das will Jens Eskelund, Repräsentant der dänischen Containerreederei Mærsk in Ostasien sowie Präsident der EU-Handelskammer in der Volksrepublik, in Beijing thematisieren. Hinzu kommt ein Einbruch bei den Investitionen aus dem Ausland. Nur die Investitionen aus Deutschland sind auf Rekordniveau gestiegen; diejenigen aus den meisten anderen Ländern, insbesondere diejenigen aus Japan und Südkorea, aber auch diejenigen aus Taiwan gingen 2023 teils klar zurück.

Beijing hat Interesse daran, die Beziehungen wieder zu verbessern – und das nicht nur aus ökonomischen Gründen. Konzernchefs wie Cook, die auf das Chinageschäft ihrer jeweiligen Unternehmen angewiesen sind und die individuell alles unternehmen müssen, um es nicht kollabieren zu lassen, sind im immer feindlicher gesinnten Westen seine besten Verbündeten. Der Staatsrat in Beijing hat soeben einen »24-Punkte-Aktionsplan« vorgelegt, der auswärtige Investitionen erleichtern soll; bereits im Januar sei die Zahl der Unternehmensgründungen mit auswärtiger Kapitalbeteiligung um drei Viertel gegenüber Januar 2023 in die Höhe geschnellt, berichtete die Global Times.

Interesse zeigen insbesondere US-Konzerne. Vergangenes Jahr nahmen nur wenige am China Development Forum teil; die bilateralen Beziehungen waren nach dem Abschuss eines chinesischen Ballons durch die USA und nach der Festnahme mehrerer Angestellter von US-Firmen in China wegen Spionageverdachts auf einem Tiefpunkt angelangt. Dieses Jahr aber setzt nicht nur Cook, und das trotz der eskalierenden politischen Spannungen, auf einen gewissen Aufschwung.

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