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Aus: Ausgabe vom 22.03.2024, Seite 15 / Feminismus
US-Knastsystem

Eingesperrt und vergewaltigt

USA: Nichtweiße Frauen und Mädchen überproportional häufig inhaftiert und Gewalt ausgesetzt
Von Carmela Negrete
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»Sexualisierter Gewalt häufig schutzlos ausgeliefert«: Gefangene des US-Knastsystems (Phoenix, 21.10.2003)

Inhaftierte Frauen in den Vereinigten Staaten sind oft arm, schwarz und lesbisch. In Gefangenschaft sind sie sexualisierter Gewalt häufig schutzlos ausgeliefert. In der Stadt Dublin im US-Bundesstaat Kalifornien stürmten am 12. März Beamte des FBI eine Frauenhaftanstalt. Dort hatte es so viele Fälle sexualisierter Gewalt gegeben, dass der Ort bei Gefangenen und Wärtern als »rape club« (Vergewaltigungsklub) bekannt war, wie die Los Angeles Times berichtete. Im Dezember 2022 war bereits der frühere Leiter dieses Zentrums wegen sexueller Übergriffe auf Inhaftierte zu 70 Monaten Gefängnis verurteilt worden, zusammen mit sechs weiteren Mitarbeitern.

Auch wenn die US-Bezirksrichterin Yvonne Gonzalez Rogers dieses Frauengefängnis am vergangenen Freitag als ein »dysfunktionales Chaos« bezeichnete und Maßnahmen wie die Einsetzung eines Sonderverwalters ankündigte, die dort bestehenden Zustände haben System. Statt aber die strukturellen Probleme anzugehen, die erst dazu führen, dass überhaupt so viele bereits diskriminierte Frauen hinter Gittern landen, wird ein Durchgreifen mit harter Hand als Lösung präsentiert.

Überregionale Medien behandeln das Thema teilweise wie die Boulevardpresse und sprechen von einem »Skandal«. Zeitungen wie die New York Times verfolgen genau, was in diesem Gefängnis passiert. »Der Skandal hat zu einer Lawine von Rechtsstreitigkeiten und Vorwürfen geführt, dass sexualisierte Gewalt trotz früherer Führungswechsel fortgesetzt wurde«, schreibt das Blatt, das von einem Wandel und konkreten Maßnahmen spricht, die die Beamtin des Bundesgefängnisdienstes Nancy T. McKinney als Gefängnisleiterin umsetzen soll. Penibel wird in »bester« Bild-Manier beschrieben, wie eine »amerikanische Ureinwohnerin« dort mehrmals pro Woche vergewaltigt worden sein soll, während die Beamten rassistische Kommentare machten. Doch wenn man sich die tatsächlichen Zahlen anschaut, scheint es sich dabei nur um einen kleinen Ausschnitt aus der erschreckenden Lage in den Gefängnissen zu handeln.

Die gemeinnützige und überparteiliche Organisation Prison Policy Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, »die umfassenden Schäden der Massenkriminalisierung aufzudecken« und damit »eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen«. Laut von ihr veröffentlichten Zahlen sitzen in den Vereinigten Staaten derzeit rund 190.600 Frauen und Mädchen im Gefängnis. Die Inhaftierung von Frauen hat zugenommen, nicht zuletzt, weil jüngst in mehreren Staaten Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert wurden.

Die Organisation macht darauf aufmerksam, dass nichtweiße Frauen und solche, die nicht heteronormativen Vorgaben entsprechen, »unverhältnismäßig häufig durch das Jugendstrafrechtssystem« bestraft werden. Schwarze Mädchen stellen rund 32 Prozent der inhaftierten weiblichen Jugendlichen, obwohl sie landesweit nur 14 Prozent der Mädchen unter 18 Jahren ausmachen. Zudem sollen »erschütternde 40 Prozent der Mädchen im Jugendstrafvollzug« sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten angehören. Für schwarze Frauen besteht in den USA ohnehin ein größeres Risiko, vergewaltigt zu werden. Fast jede fünfte hat einen solchen sexuellen Angriff erlebt, so das National Black Women’s Institute (NBWJI). Das Institut hat errechnet, dass rund 41 Prozent der schwarzen Frauen Opfer sexueller Nötigung und anderer sexueller Übergriffe sind. Und diese Zahlen beziehen sich nur auf die angezeigten Taten, die Dunkelziffer ist erwartbar höher.

Diskriminierte Frauen werden also häufiger inhaftiert, auch weil sexualisierte Gewalt dazu führt, dass sie öfter als der Rest der Gesellschaft drogenabhängig und psychisch krank werden – ein Teufelskreis, der dadurch geschlossen wird, dass sie in den Einrichtungen, wo sie angeblich rehabilitiert werden sollten, letztendlich noch mehr Gewalt erleben als draußen. »Von den Frauen im Gefängnis, von denen 44 Prozent Schwarze sind, haben 86 Prozent sexualisierte Gewalt erlebt«, so die Bilanz des NBWJI für das Jahr 2023.

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