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Aus: Ausgabe vom 20.03.2024, Seite 8 / Abgeschrieben

Rechte Unterwanderung bei Stadtschlossfinanzierung

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Jeweils drei Tonnen schwere Prophetenfiguren werden auf die Kuppel des Berliner Humboldt-Forums montiert (19.3.2024)

In einer gemeinsamen Erklärung der Wissenschaftler Philipp Oswalt (Architekturtheorie) und Jürgen Zimmerer (Afrikanische Geschichte) vom Montag auf der Website der Uni Hamburg zu Spenden für das Berliner Stadtschloss heißt es:

Mit Spendengeldern von Rechtsradikalen wird die das Berliner Schloss weiter zum neurechten Symbol für das »christliche Abendland« ausgebaut. Wie die Stiftung Humboldt-Forum mitteilt, werden am (…) Dienstag, den 19. März 2024 die Steinskulpturen der acht alttestamentarischen Propheten auf der Kuppelbalustrade über dem Eosanderportal des Humboldt-Forums/Berliner Schloss montiert. Eine der Figuren, der Prophet Daniel, wurde laut Website des Fördervereins Berliner Schloss von der von vielen als rechtsradikal eingeschätzten Politikerin und Publizistin Vera Lengsfeld finanziert. Die Namen der übrigen Spender werden auch auf Nachfrage von der Stiftung Humboldt Forum und dem Bundesbauministerium nicht genannt.

Die Skulpturen der Propheten unterstreichen die christliche Symbolik der Kuppel, welche die Religionen der meisten im Humboldt Forum gezeigten Kulturen ignoriert und diese einem abendländischen Universalitätsanspruch unterordnen. Bereits 2017 war eine heftige Kontroverse über die Anbringung von Kuppelkreuz und Kuppelinschrift aufgebrochen, bei der von vielen kritisiert wurde, dass die im Humboldt-Forum versammelten Außereuropäischen Sammlungen mit einem christlichen Symbol bekrönt werden. In Reaktion darauf hatte die Stiftung Humboldt-Forum zwischenzeitlich überlegt, den Bibelvers der Inschrift nachts mittels eine künstlerischen LED-Installation zu überblenden und somit zu relativieren. Doch diese Idee wurde verworfen. Vielmehr hat der Stiftungsrat der Stiftung Humboldt-Forum nach Auskunft des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen auf seiner 38. Sitzung am 2. November 2021 die Realisierung der Figuren der Kuppelbalustrade beschlossen. Diese waren weder in den Bundestagsbeschlüssen von 2002 oder 2003 noch im Wettbewerbsbeitrag von Franco Stella von 2008 vorgesehen.

Man muss inzwischen von einer bewussten fundamental-christlichen Unterwanderung (…) ausgehen, die sich bestens in die islamophoben Tendenzen der Zeit einfügt. Das Berliner Stadtschloss ist das wichtigste architekturpolitische Symbol der Berliner Republik. Es bedeutet nicht weniger als einen »steingewordenen Schlussstrich« (Zimmerer), eine konservative Wende des identitätspolitischen Kerns der Berliner Republik. (…) Neue Recherchen haben aufgezeigt, dass der Förderverein von Anfang an und bis heute rechtsradikale Politiker sowie Unterstützer der AfD zu seinen Spendern, Mitgliedern und Funktionsträgern zählt und sich von keinem dieser distanziert hat. (…) Es war bereits völlig inakzeptabel, dass die Stiftung Humboldt-Forum es hinnahm, dass der Förderverein sich nicht von seinen rechtsradikalen Spendern distanzierte, deren antisemitische Äußerungen leugnete und sogar die Holocaustleugnung relativierte. Es ist schlichtweg unerträglich, dass die Stiftung es rechtslastigen Kreisen ermöglicht, die Symbolproblematik des Berliner Schlosses weiter zu verschärfen und damit die schrittweise Radikalisierung des ohnehin so umstrittenen Projektes fortzusetzen. (…)

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