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Aus: Ausgabe vom 20.03.2024, Seite 8 / Inland
Kinobesetzung in Frankfurt

»Kultureller Austausch wird zum Luxusgut«

Hessen: Aktivistinnen und Aktivisten besetzen ein leerstehendes Kino in Frankfurt am Main. Ein Gespräch mit Kai Rose
Interview: Gitta Düperthal
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Endlich wieder Kino: Seit der Besetzung laufen die Filme sogar kostenfrei

Aktivistinnen und Aktivisten haben das seit der Coronakrise 2020 leerstehende Berger Kino im Stadtteil Bornheim am 9. März selbstorganisiert wieder eröffnet. Seither laufen in zwei Kinosälen mit 380 Sitzplätzen Filme, es gibt Popcorn und Getränke – auf Spendenbasis. Was ist Ihr Anliegen?

Wir haben das Kino besetzt, es zum feministischen und queeren Kino erklärt, wollen dort inhaltlich und stilistisch besondere Filme zeigen. Wir beobachten, dass kultureller Austausch in Frankfurt an immer mehr Orten, an denen er bisher noch möglich war, entweder verschwindet oder zum Luxusgut wird. Wir wollen dem Trend entgegenwirken, dass alles dem Kommerz unterworfen wird. Wir brauchen kulturelle Teilhabe, um im Leben Hoffnung zu haben.

Wollen Sie sich mit subversiver Filmkunst von anderen Kinos unterscheiden?

Wir greifen auf ein breites Angebot von Filmen von linken Filmemacherinnen und Regisseuren zurück, die aufklärerisch wirken oder zum Nachdenken anregen: etwa Dokumentarfilme zum Klimaaktivismus oder Filme, die eine weibliche Biographie kämpferisch darstellen. Sonntag abend lief ein Streifen, der sich auf ungewöhnliche Weise mit queerer Lebensweise auseinandersetzt. Wir erfragen die Erlaubnis, die Filme zu zeigen. Viele stellen sie solidarisch zur Verfügung, weil sie finden, dass es ein cooles Projekt ist.

Der bisherige Kinopächter Harald Metz hatte nach der Coronapleite den Magistrat erfolglos um Unterstützung angefragt. Die Stadt wollte kein Geld geben. Mit ihm und den Eigentümern des Kinos sind Sie im Gespräch. Wie soll es weitergehen?

Vor allem verhandeln wir mit den Kinobesitzern Hermann und Adolf Steib. Auch wenn sie unser Nutzungskonzept nicht in Gänze teilen, sind wir doch in vielen Punkten einig. Uns ist wichtig, das Kino weiterhin nicht gewinnorientiert zu nutzen. Vom Kommerz unabhängige Begegnungen sind gerade in Zeiten sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit wichtig, um die kulturelle Vielfalt im Viertel zu stärken. Wir wollen kein Eintrittsgeld nehmen. Damit stimmen die Eigentümer nicht überein. Grundsätzlich wollen aber auch sie, dass im Kino wieder Kultur für den Stadtteil stattfindet. Anfang April wird weiter verhandelt.

Ihr Vorhaben findet im Stadtteil Anklang. Es gelang Ihnen, mehr als 1.000 Unterschriften dafür sammeln. Die Organisation des Kinos ist aber nicht einfach. Es gilt, Urheberrechte zu achten, mit Verleihen zu verhandeln etc. Es gibt kein Wasser, keine Toiletten. Wie können Sie durchhalten?

In den nächsten Wochen soll ein Klempner kommen. Wir haben schon zwei Nachbarschaftstreffen veranstaltet und wollen einen gemeinschaftlichen Prozess anstoßen, in dem sich alle einklinken können: mit Ideen zum Programm, der Übernahme von Schichten im Barbetrieb, bis zum Mitwirken bei unseren Putzplänen. Das ist hier die sauberste Besetzung, die ich je gesehen habe. Wir waren überrascht über die große Bereitschaft, aktiv zu helfen. Alles ist kostenfrei, aber viele spenden Geld.

Im Ortsbeirat wurde ein Antrag der Linken auf Dringlichkeit der Behandlung des Themas einer Kinounterstützung von CDU und FDP abgelehnt. Am 16. April steht es wieder zur Debatte. Die Linkenfraktion hat zudem an die Stadtverordnetenversammlung einen Dringlichkeitsantrag gerichtet. Was erwarten Sie?

Im Ortbeirat war es knapp, es fehlte nur eine Stimme. Natürlich hoffen wir, dass die Stadt beschließt, unser Projekt zu unterstützen.

Wie wollen Sie das Kino im Fall einer Legalisierung langfristig weiterbetreiben?

Wir wollen städtische Förderung, uns des weiteren über Spenden und Kinopatenschaften finanzieren; auch um das notwendige Personal einzustellen, Jobsicherheit zu bieten und fair zu bezahlen. Ich kann, glaube ich, im Sinn des Kollektivs sagen, dass wir eine antikapitalistische Lebensweise anstreben. Wir wollen im Kino einen offenen Diskussionsort und Filme zeigen, die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter und queere Rechte einsetzen. Es kommen Leute zwischen 20 und 70 Jahren. Viele verbinden mit dem Kino, das es 40 Jahre lang hier gab, schöne Erinnerungen. Nachmittags laufen jetzt wieder Kinderfilme.

Kai Rose ist Sprecher des Kollektivs, das das Berger Kino in Frankfurt am Main besetzt hält

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