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Aus: Ausgabe vom 18.03.2024, Seite 8 / Ansichten

Va banque spielen

Geheimnisse um TAURUS
Von Jörg Kronauer
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Ein 20minütiger Vortrag von Bundeswehr-General Carsten Breuer im Verteidigungsausschuss hat Nachwirkungen

Der Vorwurf wiegt schwer. Nein, nicht der Vorwurf, da habe jemand Geheimnisverrat begangen. Trifft es zu, was das Portal T-online am Freitag über den Auftritt von Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestags am Montag vergangener Woche berichtet hat, dann stellen sich ganz andere Fragen. Breuer habe erläutert, so hieß es bei T-online, die ukrainischen Streitkräfte könnten den TAURUS nur dann ohne eine aktive Beteiligung deutscher Militärs mit all seinen Fähigkeiten nutzen, wenn man ihnen zusammen mit den Raketen selbst auch die eigens für ihren Einsatz entwickelten hochkomplexen IT-Systeme liefere. Davon jedoch habe die Bundeswehr nur so wenige, dass sie blank dastehe, wenn sie der Ukraine welche übergebe. Was aber, so führte T-online den Gedanken fort, wenn man den TAURUS mitsamt den IT-Systemen liefere, die Ukraine aber trotzdem den Krieg verliere und die russischen Streitkräfte dann auf einmal an Polens Ostgrenze stünden? Dann werde es ernst – und der Bundeswehr fehle zugleich eine ihrer gefährlichsten Waffen: Deutschland sei nicht mehr hinlänglich abwehrbereit.

Man muss die zentrale Prämisse dieses Gedankengangs, Russland sei unter Umständen bereit, einen NATO-Staat anzugreifen, nicht teilen. Doch sie ist die Prämisse, mit der all die staatstragenden Parteien von SPD bis CSU tagein, tagaus hausieren gehen – und bunkerbrechende Hardlinerinnen wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann natürlich allen voran. Wenn man nun allerdings äußert, die Gefahr eines russischen Angriffs sei überaus ernst, und zugleich fordert, den TAURUS zu liefern, entsteht Erklärungsbedarf. Denn man weiß ja spätestens seit dem für Berlin so peinlichen Luftwaffen-Leak, dass der TAURUS, wenn er nicht aus den erwähnten IT-Systemen gefüttert wird, annähernd so effizient ist wie ein Porsche auf einem Feldweg. Wollen Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter und Konsorten die Hightechzerstörungspotentiale des teuren TAURUS sinnlos verschleudern, oder gehen sie bewusst das Risiko ein, dass Deutschland im Fall eines – aus ihrer Sicht ja tatsächlich denkbaren – russischen Angriffs mit empfindlich geschwächter Verteidigung dasteht?

Wäre dem so, dann leistete die Bundesrepublik sich zwei Regierungsparteien, die aktuell fordern, in militärischen Dingen va banque zu spielen, und dies nicht nur – das ist schlimm genug – mit der Ukraine, sondern auch mit dem eigenen Land. Auch wenn man, wie gesagt, die zentrale Prämisse nicht teilt – in der Logik des herrschenden Systems hätte der Fall das Zeug zum Skandal. Es hat wohl allen Grund, dass Strack-Zimmermann zur Hatz auf den Whistleblower bläst: Angriff ist in einer Logik wie der ihren ja stets die beste Verteidigung. Und dass man an Whistleblowern nach Möglichkeit ein hartes, abschreckendes Exempel statuiert, das hat im transatlantischen Westen ja schlechte Tradition.

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