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Aus: Ausgabe vom 18.03.2024, Seite 5 / Inland
US-Elektroautobauer

Listenkampf der Tesla-Workers

Betriebsratswahl in Grünheide. IG Metall mit Zehnpunkteplan gegen »gelbe« Belegschaftsvertretung und für Tarifvertrag
Von Oliver Rast
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Nah dran: Größte Industriegewerkschaft der Welt hat am Bahnhof Fangschleuse ein »Rekrutierungsbüro«

Betriebe sind Kampfterrain – auch von Beschäftigtenvertretern. Etwa bei Tesla im ostbrandenburgischen Grünheide. Vom heutigen Montag bis Mittwoch wird in der einzigen europäischen Fabrik des US-Elektroautobauers ein neuer Betriebsrat (BR) gewählt. Am Sonnabend präsentierte die IG Metall Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen (IGM BBS) für die BR-Wahl einen Zehnpunkteplan. Dazu gleich.

Schon vorher hatte es Zoff zwischen dem amtierenden, »arbeitgebernahen« BR und der IGM gegeben. Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) hatte die Wahl am 13. Februar wegen einer einstweiligen Verfügung der Gewerkschaft gestoppt. Die größte Industriegewerkschaft der Welt monierte »unnötigen Zeitdruck und ungünstig gelegte Fristen«. Für die Kandidatenaufstellung sei mehr Vorlauf nötig, um demokratische Teilhabe besonders für die Beschäftigten in der Produktion sicherzustellen, hatte IGM-Bezirksleiter Dirk Schulze erklärt. Warum? Die Bänder in der »Gigafactory« standen mitten in der Vorbereitungszeit zwei Wochen bis Mitte Februar still. Produktionsstopp aufgrund Materialmangels, die Lieferkette im Roten Meer war unterbrochen. Die jemenitischen Ansarollah untersagen die Durchfahrt von Schiffen in den von ihnen kontrollierten Gewässern.

Der »gelbe« BR ging eine Instanz höher – und war erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hob den Entscheid der Vorinstanz auf und entschied per Eilverfahren, dass die Wahl trotz formaler Verstöße wie geplant Mitte März über die Bühne gehen kann. Die Premiere einer BR-Wahl hatte bereits im Februar 2022 stattgefunden – also noch vor der Werkseröffnung einen Monat später. Da sich seitdem aber die Anzahl der Beschäftigten auf rund 12.500 mehr als verfünffacht hat, muss gemäß Betriebsverfassungsgesetz schon vor Ablauf der eigentlich vierjährigen BR-Amtszeit neu gewählt werden. Zur Neuwahl treten neun Listen mit 234 Kandidatinnen und Kandidaten an. Allein auf der Liste 2 »IG Metall – Tesla Workers GFBB« haben sich 106 zusammengeschlossen.

Zu den IGM-Wahlprüfsteinen: Personalstärke, Bandpausen, Freizeitplanung, Gesundheitsschutz, das steht im Vordergrund. Safety first müsse die Devise sein. »Nichts ist wichtiger als die Sicherheit der Kolleg*innen«, so die Metaller. Für »Tesla-Speed« werde zu oft beim Unfallschutz gespart. Das habe sich zu ändern, zumal die chronische Unterbesetzung der Schichten Takt und Druck für die Kollegen erhöhen würde. Und überhaupt, betriebsinterne Seilschaften verhinderten Chancengleichheit bei Beförderungen. Nicht zuletzt mangele es an Meinungsfreiheit. Kritik und Verbesserungsvorschläge müssten ernst genommen und dürften nicht unterdrückt werden. Im Kern brauche es einen Tarifvertrag, ausgehandelt zwischen IGM und Tesla. Rechtssicher für höhere Entgelte, kürzere Arbeitszeiten, mehr Urlaub. Ferner: Leiharbeiter sollen übernommen werden. Denn »Leiharbeit heißt ständige Unsicherheit.«

Wenig überraschend: Tesla-Boss Elon Musk will das alles nicht. Seine »Betriebslautsprecher« folgerichtig gleichfalls nicht. Werksleiter André Thierig hält einen Tarifvertrag für unnötig. Er hatte am vergangenen Mittwoch anlässlich des Musk-Besuchs in Grünheide jährliche Lohnanpassungen angekündigt. BR-Vorsitzende Michaela Schmitz, die weitermachen will, verwies dabei auf Gehaltserhöhungen von bis zu 18 Prozent – ohne Tarifvertrag.

Schulze von der IGM kontert: »Ein besseres Tesla ist möglich.« Zudem bekräftigte er laut Mitteilung vom Samstag, dass seine Gewerkschaft Aufbau und Ausbau der »Gigafactory« unterstütze. »Ausdrücklich, seit dem ersten Tag der Ansiedelung.« Schließlich sei die IGM die Gewerkschaft aller Malocher in der Autoindustrie in Deutschland. Für dieses Ziel arbeiteten aktive Metallerinnen und Metaller im Werk »mit unglaublicher Leidenschaft und Standhaftigkeit«. Die gesamte Organisation unterstütze sie dabei, damit sie dem »Gegenwind von oben« die Stirn bieten könnten. Kurzum: Der neue BR müsse auf der Seite der Belegschaft stehen – »ohne Wenn und Aber«.

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