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Aus: Ausgabe vom 16.03.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Requiem für Lumumba

Zu jW vom 11.3.: »Ende einer Hoffnung«

Wahrscheinlich als einzige Zeitung im deutschsprachigen Raum gedenkt die jW kontinuierlich des revolutionären Helden Patrice Lumumba (vorher am 16./17. Januar 2021 des 60. Jahrestages seiner bestialischen Ermordung), einer von denen, die glaubten, durch Vernunft, ohne Gewalt zu einer gerechteren und friedlicheren Welt gelangen zu können. In diesem lesenswerten Ausschnitt sowie in der zwei Seiten späteren Rezension über dieses Buch empfiehlt jW die neue Biographie von Gerd Schumann, die ich mir sofort kaufe. Die bürgerliche (westliche) »werteorientierte« Welt damals und heute will ihn am liebsten vergessen machen.

Aber in der DDR waren er und sein Vermächtnis präsent. Vor allem Karl Mickel (Text) und Paul Dessau (Musik) setzten ihm mit ihrem eindrücklichen, sehr politischen vokalsinfonischen Werk »Requiem für Lumumba« (1963) für immer ein würdiges Denkmal. Abgesehen davon, dass ich mir dieses Werk wieder im Konzertsaal wünsche, kann man die bestechende, eindringliche Aufnahme durch die Leipziger Rundfunkklangkörper unter ihrem damaligen unbestechlichen, im Ringen um inhaltsvolle musikalische Aussagekraft nahezu kompromisslosen Dirigenten Herbert Kegel, bei dem Schallplattenlabel Nova 1971 erschienen, zum Glück auch heute noch auf Youtube problemlos nachhören. Karl Mickels letzter Satz in Dessaus beschwörender Vertonung geht unter die Haut: »Der Mensch wird dem Menschen ein Mensch sein fortan.« Alle Kriege wären aus, handelte und regierte man nach diesem Grundsatz, zum gegenseitigen Nutzen.

Reinhard Schmiedel, Weimar

Grundform der Ausbeutung

Zu jW vom 2./3.3.: »Wurzeln der Gewalt«

Der Leserbriefschreiber Bernd Vogel bezichtigt Karl-Heinz Dellwo und weiter die RAF eines »Wirrwarrs in der theoretischen Analyse« und begründet dies mit dem Satz von Dellwo: »Der ganze Kapitalismus beruht auf Diebstahl und ungleichem Tausch.« In derselben Ausgabe der jW lesen wir, zitiert aus Friedrich Engels »Anti-Dühring«: »Es wurde bewiesen, dass die Aneignung unbezahlter Arbeit die Grundform der kapitalistischen Produktionsweise und der durch sie vollzogenen Ausbeutung ist.« Was bedeutet dies anderes als Diebstahl – von der räuberischen Ausbeutung des globalen Südens durch Kolonialismus und Kapitalismus ganz zu schweigen.

Darauf hinzuweisen, dass zwischen Kapital und Arbeit ein »formal korrekter Vertrag« abgeschlossen wird, ist ein Witz aus der (neo)liberalen Mottenkiste. (…)

Dieter Max Crusius, per E-Mail

»Dämlich«

Zu jW vom 9./10.3.: »Die drei Buchstaben«

Gerhard Hanloser versteigt sich im Artikel zu der Aussage: »Nämlich etwa, dass es sich bei Baader um den Prototyp eines – ›organischen Intellektuellen‹ handelte – ein Lieblingsbegriff der akademischen Linken – um einen auf der Höhe des Spätkapitalismus nämlich.«

Nicht nur, dass hier ein »nämlich« zuviel ist. Der Satz ist ziemlich dämlich, und dem Lektorat einer marxistischen Tageszeitung unwürdig. Baader als »organischen Intellektuellen« im Sinne Gramscis zu bezeichnen, ignoriert so ziemlich alles, was marxistische Tradition zu der Frage herausfand, welche Strategien in der Lage sind, die »dritte Sache« (Brecht) zu befördern. Exemplarische Morde sind es jedenfalls nicht. Baader war vieles, aber nicht einmal, wie die italienische »Lotta Continua« im Entferntesten in der Arbeiterklasse verankert.

Hanloser, der sonst sehr nützliche Texte in linken Zeitschriften schreibt, hat hier ein Dokument unreflektierter Großmäuligkeit abgeliefert, das weit hinter die zeitgenössische marxistische Kritik der RAF zurückfällt.

Manfred Gehrling, Eilenburg

Der eigene Anspruch

Zu jW vom 12.3.: »Kommunisten machen plus«

Als langjähriger Leser und Genossenschafter der jungen Welt erwarte ich mir sowohl fundierte als auch intellektuell ansprechend recherchierte Analysen. Nur mit Qualität in der Berichterstattung werden sich neue Leserinnen und Leser gewinnen lassen, denn wo läge sonst der Mehrwert für ein Abo dieser Zeitung jenseits des Inlands, im Ressort »Ausland« Österreich? Auch das Bewerben von Probeabos in der Alpenrepublik und darüber hinaus macht uns nur Freude, wenn die Qualität der Texte vor Ort dazu einlädt, sich zur Unterstützung der jungen Welt ohne Furcht und Scham bekennen zu dürfen.

Der Artikel von Dieter Reinisch wird dem von der Redaktion selbst vertretenen Qualitätsanspruch leider erneut nicht gerecht: Ohne weiteren Kommentar wird uns Leserinnen und Lesern ein aus dem affirmativen Politikbetrieb knapp zitiertes »Bürgerservice statt Klassenkampf« als Rezept der KPÖ in Salzburg und Graz verkauft. Dabei konnte in dieser Zeitung noch im Dezember letzten Jahres unter dem Titel »Übereinstimmung von Wort und Tat« ein Interview von Redakteurin Barbara Eder mit dem Grazer Stadtrat Robert Krotzer nachgelesen werden, in welchem das sehr konkrete Politikkonzept der Steiermark durch substantielle Fragestellungen gut erörtert wird. Spannend für die bundesdeutsche Leserschaft wäre es sicherlich zu erfahren, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten das aktuelle Salzburger Modell und die steirische »Vorlage« haben. Darüber hinaus gibt es auch in Wien und anderen Bundesländern durchaus eigenständige politische Konzepte, die bisherige Parteistrategien selbstständig weiter entwickeln.

Auch die Arbeiterkammerwahlen in Österreich bedürften einer relevanzbezogenen, journalistischen Begleitung. Da diese gesetzliche Interessenvertretung in der Bundesrepublik außerhalb von Bremen und dem Saarland inexistent ist, bietet sich hier durchaus die redaktionelle Option, aus dieser einzigartigen Institution und ihrer demokratischen Verfasstheit europaweit relevante Berichterstattung abzuleiten.

Ewald Magnes, Wien

Karl Mickels letzter Satz geht unter die Haut: ›Der Mensch wird dem Menschen ein Mensch sein fortan.‹

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