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Aus: Ausgabe vom 16.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Neoliberalismus in Argentinien

Milei in der Klemme

Argentinien: Senat lehnt Dekret zur Deregulierung der Wirtschaft ab. Politisches Überleben des Präsidenten hängt von Bewältigung der Inflationskrise ab
Von Raphaël Schmeller
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Hat keine parlamentarische Mehrheit: Milei bei einer Rede im argentinischen Nationalkongress am 1. März

Es läuft nicht gut für Javier Milei: Nachdem Anfang des Jahres bereits ein Gericht Teile des Notstandsdekrets des argentinischen Präsidenten auf Eis gelegt hatte, stimmte nun das Oberhaus gegen seine Pläne zur Deregulierung der Wirtschaft. Die Senatoren lehnten das Maßnahmenpaket am Donnerstag (Ortszeit) mit 42 zu 25 Stimmen bei vier Enthaltungen ab.

Der Marktradikale Milei hatte das Dekret, das die Änderung oder Aufhebung von 300 bestehenden Gesetzen beinhaltet, wenige Wochen nach seiner Wahl im Dezember erlassen. Ziel des Gesetzes sei es, sagte er damals, »den Weg für den Wiederaufbau des Landes zu ebnen, den Menschen ihre Freiheit und Autonomie zurückzugeben und damit zu beginnen, die große Zahl von Gesetzen abzuschaffen, die das Wirtschaftswachstum unseres Landes verlangsamt, gestört und verhindert haben«. Konkret sieht das Dekret unter anderem die Abschaffung eines Gesetzes zur Regulierung der Mieten vor. Auch die Privatisierung von Staatsunternehmen wie dem Ölkonzern YPF oder der Fluggesellschaft Aerolíneas Argentinas ist vorgesehen. Eine »Reform« des Arbeitsrechts soll zudem die Schaffung »echter Arbeitsplätze« – sprich: prekärer Jobs – erleichtern, Sektoren wie Gesundheit, Tourismus, Internet und Handel sollen privatisiert werden.

Mileis Partei La Libertad Avanza (LLA) hat nur sieben Sitze im Senat, hinzu kommen sechs Sitze des Koalitionspartners Propuesta Republicana des ehemaligen konservativen Staatschefs Mauricio Macri. Der Präsident musste also versuchen, die Senatoren der »Mitte« auf seine Seite zu ziehen, doch die meisten stimmten nun gemeinsam mit der linksgerichteten Opposition der Peronisten, die 45 Prozent der Sitze im Senat hält, gegen das Dekret. Viele der Zentrumsabgeordneten argumentierten, dass die Maßnahmen nicht die Voraussetzungen für eine Notstandsverordnung nach der Verfassung erfüllten und Milei seine Deregulierungsreformen als Gesetzentwürfe einbringen müsse.

Das Dekret bleibt nun so lange in Kraft, bis es möglicherweise auch vom Unterhaus, in dem die LLA 15 Prozent der Sitze hat, abgelehnt wird. Vor der Abstimmung will Milei mit Vertretern der Opposition über Zugeständnisse verhandeln – doch ob das hilft, ist fraglich. Bereits im vergangenen Monat hatte der Präsident aufgrund des Gerichtsurteils von Anfang des Jahres entschieden, einen Teil der Maßnahmen vor der Abstimmung im Oberhaus zurückzuziehen. Statt 300 enthielt der den Senatoren vorgelegte Gesetzentwurf nur noch 264 Gesetzesänderungen, darunter nach wie vor die Maßnahmen zur Privatisierung von Staatsbetrieben, zur Ausweitung der Befugnisse des Präsidenten und zur Kürzung der Renten.

Die neoliberale Politik der Regierung wird nicht nur im Parlament bekämpft. Die Mehrheit der Argentinier stellt sich inzwischen gegen den Präsidenten, den sie erst im November gewählt haben. Denn fast die Hälfte der Bevölkerung lebt heute in Armut und ist von den Sozialkürzungen betroffen. Mileis politisches Überleben wird davon abhängen, ob er die Inflationskrise in den Griff bekommt. Danach sieht es allerdings derzeit nicht aus: Erst am Dienstag gab das nationale Statistikamt INDEC bekannt, dass die jährliche Inflationsrate auf 276,2 Prozent gestiegen ist, den höchsten Wert seit 1991.

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