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Aus: Ausgabe vom 16.03.2024, Seite 7 / Ausland
Amnestiegesetz

Schachzug gegen Puigdemont

Spanien: Katalanische Sozialdemokraten kündigen vorgezogene Wahlen an. Exilierter Expräsident will zurückkehren
Von Carmela Negrete
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Frühere Gegner zumindest auf Wandbild vereint: Spaniens Premier Sánchez und der immer noch im Exil lebende Puigdemont (Barcelona, 13.9.2023)

Der Anwalt des ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont, Gonzalo Boye, hat am Freitag in einem Interview mit dem katalanischen Sender RAC 1 erklärt, dass sein Mandant bei den vorgezogenen Wahlen in der Region am 12. Mai kandidieren werde. Im Falle seiner Wahl werde Puigdemont sofort nach Spanien zurückkehren, um das Mandat anzutreten, auch wenn er damit eine Verhaftung riskiere. »Es ist möglich, dass er verhaftet wird, aber was damit nicht verhindert werden kann, ist, dass er Präsident der Generalitat wird. Das können nur die Wähler«, sagte Boye. Puigdemont wurde wegen seiner Rolle bei Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien 2017 in Spanien angeklagt und befindet sich seitdem im Exil in Belgien. Seine Partei Junts hatte nach den Wahlen im vergangenen Jahr mit Spaniens sozialdemokratischem Ministerpräsidenten Pedro Sánchez eine Amnestie vereinbart. Im Gegenzug unterstützt Junts die Madrider Regierung.

Am Donnerstag hatte das spanische Parlament mit einer knappen Mehrheit von 178 Ja- und 172 Neinstimmen für das Amnestiegesetz gestimmt. Es soll voraussichtlich im Mai vom Senat endgültig verabschiedet werden. Damit wäre der Weg für Puigdemonts Kandidatur frei. Doch noch immer könnte ihn das Oberste Gericht in einem angeblichen Fall von Terrorismus anklagen. Eine offizielle Vorstellung Puigdemonts als Kandidat seiner liberalen Prounabhängigkeitspartei Junts werde es in der kommenden Woche geben, hieß es aus Parteikreisen. Bisher ist er EU-Abgeordneter und genießt deshalb Immunität. Er könnte auch einen der obersten EU-Listenplätze bekommen und sich später für den einen oder anderen Posten entscheiden. Bereits 2021 war er ins katalanische Parlament gewählt worden, konnte aber sein Amt nicht antreten, da ihm sonst die Verhaftung gedroht hätte.

Am Mittwoch hatte der amtierende katalanische Präsident Pere Aragonès von den katalanischen Sozialdemokraten der ERC die Wahlen auf einen früheren Zeitpunkt verschoben. Er begründete diesen Schritt damit, dass die Parteien in der Haushaltsdebatte keinen Kompromiss erzielen konnten. »Dies ist ein Szenario, in dem wir dem Land nicht gut dienen können, wenn der Haushalt nicht genehmigt wird«, sagte er nach der Verkündung im katalanischen Fernsehen TV3 und schob die Schuld auf die anderen Parteien, die nun die Verantwortung für die Verweigerung ihrer Zustimmung übernehmen müssten. Auch in Madrid ist der Haushalt bisher nicht bewilligt, und es erscheint immer unwahrscheinlicher, dass angesichts der Vielfalt der Parteiinteressen und der bevorstehenden Wahlen bald eine Einigung erzielt wird.

Spanien erwarten bewegte Monate, da nicht nur in Katalonien, sondern im April auch im Baskenland und im Juni auf EU-Ebene zu den Wahlurnen gerufen wird. Viele Anhänger der Sozialdemokratie empfinden Unmut: zunächst über die ausgehandelte Amnestie, zumal Sánchez vor den Wahlen im vergangenen Jahr versichert hatte, dass es mit ihm keine solche Maßnahme geben werde. Aber auch wegen des jüngsten Korruptionsskandals, dessen Ausmaß noch unbekannt ist. Insbesondere die Rolle der Ehegattin von Sánchez soll geklärt werden: Am Donnerstag erstattete die rechtskonservative Volkspartei (PP) eine Anzeige beim Büro für Interessenkonflikte des spanischen Parlaments, da Begoña Gómez beim Einwerben öffentlicher Mittel vom Mandat ihres Mannes profitiert habe.

Zudem ist der Juniorpartner in der Regierung, das Linksbündnis Sumar, alles andere als stabil. Nach der Abspaltung von Podemos sind in mehreren Regionen auch andere linke Formationen auf Distanz zu Sumar gegangen. Das könnte einen Rechtsruck bei den EU-Wahlen begünstigen. Die Amnestie ist zudem besonders bei konservativen Juristen umstritten, die versuchen werden, sie anzufechten. Ein solches Konstrukt gebe es in der spanischen Verfassung nicht, argumentieren sie. Obwohl die spanische Demokratie auf eben einer solchen Amnestie aufbaut – 1977 war den Frankofaschisten Straflosigkeit gewährt worden, obwohl sie Verbrechen gegen die Menschheit begangen hatten.

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