Bellen der Bellizisten
Von Kristian StemmlerIm Bundestag mag die von der Union angezettelte Debatte um TAURUS-Marschflugkörper vorerst vorbei sein. Für die Freunde dieses Waffensystems ist sie das aber noch lange nicht. Deren Zorn hat nun der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, auf sich gezogen. Am Freitag warf der stellvertretende FDP-Vorsitzende und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki dem Sozialdemokraten vor, er stehe »auf Kriegsfuß mit unserer Verfassung«.
Mit Blick auf die neuerliche Abstimmung am Donnerstag über die Forderung von CDU/CSU, jene Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, hatte Mützenich zuvor auf die Verabredung zu einheitlichem Abstimmungsverhalten im Koalitionsvertrag verwiesen und Konsequenzen für Abgeordnete von FDP und Bündnis 90/Die Grünen gefordert, die gegen die Koalitionslinie stimmen. »Ich rate ihm dringend, solche verfassungsfeindlichen Erklärungen, die gegen Artikel 38 des Grundgesetzes gerichtet sind, zu unterlassen«, erklärte Kubicki gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Artikel 38 besagt, dass Bundestagsabgeordnete an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind.
Mützenich hatte das Verhalten der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), bei der TAURUS-Debatte im Februar kritisiert. Als einzige Abgeordnete der Koalition hatte sie einem Unionsantrag zugestimmt, der ausdrücklich die Lieferung der Raketen an die Ukraine forderte. Empört hatte Mützenich zusätzlich, dass ihre Fraktion sie auch noch auf die Rednerliste gesetzt hatte. Als »sehr unanständig« kritisierte er ferner, wenn in anderen Fraktionen Abgeordnete Beleidigungen gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausstießen, weil dieser die TAURUS-Lieferung ablehne.
Am Donnerstag hatte der Bundestag erneut über einen Unionsantrag dazu abgestimmt – und diesen wieder mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Neben Strack-Zimmermann stimmte dieses Mal auch Kubicki im Sinne der Unionsfraktion. In einer persönlichen Erklärung des FDP-Politikes laut Handelsblatt vom Donnerstag und offensichtlich mit Blick auf Mützenich: »Wer solche Erklärungen in die öffentliche Debatte einbringt, verwirkt das Recht, sich als Verteidiger unserer demokratischen Grundordnung zu bezeichnen.«
Strack-Zimmermann echauffierte sich am Freitag morgen unterdessen im Deutschlandfunk über eine weitere Äußerung Mützenichs in der Debatte vom Donnerstag. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg hatte dieser die Frage aufgeworfen, ob es nicht an der Zeit sei, »dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?« Sollte das die Haltung der Sozialdemokratie sein, dann sei das ein »Paradigmenwechsel«, erklärte Strack-Zimmermann. Das müsse intern geklärt werden. »Ich bin sicher, dass die Ukraine genauso entsetzt war wie wir alle im Bundestag, als wir das gehört haben«, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses dem Sender.
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