Asylantrag gescheitert
Von Marc BebenrothDie Regierung solle »Länder und Kommunen in der Migrationskrise nicht im Stich lassen«, fordert die Unionsfraktion in ihrem am Freitag im Bundestag gescheiterten Antrag. Eine Verbesserung der Ausstattung der Gemeinden haben CDU und CSU nicht gefordert. Statt dessen ging es erkennbar darum, sich im Wahlkampf gegen die Ampelparteien mit ihrer Abschiebepolitik und gegen die rhetorisch krawalliger auftretende AfD zu behaupten.
Die Bundesregierung möge »zeitnah weitere Erleichterungen von bau- und vergaberechtlichen Regelungen sowohl für Asylbewerberunterkünfte als auch für soziale Einrichtungen, Schulen und Kitas« umsetzen, heißt es in einem Unterpunkt des Antrags. Ansonsten wird mehr Härte und mehr Gängelei gefordert: vom Absenken von Leistungen für Asylsuchende unter das verfassungsmäßig garantierte Existenzminimum, über den Stopp von Familienzusammenführungen für »subsidiär Schutzberechtigte« bis hin zur weiteren Aufrüstung der EU-Grenzagentur Frontex.
An der Regierungspolitik stört CDU und CSU lediglich, dass diese nicht konsequenter und schneller angekündigte Verschärfungen umsetze. So würden Bündnis 90/Die Grünen bei der Einführung von Bezahlkarten für Asylsuchende »blockieren« und der Bund habe »überhaupt nichts geliefert« bei der Ausweitung der Liste »sicherer Drittstaaten«, behauptete der CDU-Abgeordnete Alexander Throm. Im Antrag nennt die Union Indien, Tunesien, Marokko und Algerien als Kandidaten. Throm störte sich auch daran, dass Menschen in Abschiebehaft eine Pflichtverteidigerin oder ein Pflichtverteidiger zustehen soll. »Damit werden alle zukünftig vorher gewarnt sein!«
Ins selbe Horn wie Union und AfD stieß die Vorsitzende und Namenspatronin der parlamentarischen Gruppe Bündnis Sahra Wagenknecht. Die Ex-Linke-Politikerin plädierte am Freitag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa dafür, Menschen, deren Asylantrag abgelehnt und denen kein Schutzstatus zugesprochen wird, »nach einer Übergangsfrist« keine Geldleistungen mehr auszuzahlen. Jeder dritte Geflüchtete in Europa komme in die BRD, was auch daran liege, dass es »faktisch keinen Unterschied macht, ob man als schutzberechtigt anerkannt wird oder nicht«. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 6. März hatte sie gefordert, dass »Anreize«, nach Deutschland zu kommen, drastisch abgebaut werden müssten. Die »Belastungsgrenze« der BRD sei »weit überschritten«.
Der Union warf Helge Lindh (SPD) im Plenum vor, sich der AfD anzubiedern. Durch die Blockade bei Bundesaufnahmeprogrammen verhindere die Union, dass besonders Schutzbedürftige »geregelt und gesteuert« in die BRD kommen können. Lindh warnte davor, diese migrationspolitische Strategie weiterzuverfolgen. Würden Menschen mit »internationaler Familiengeschichte« infolgedessen »den Weselsky machen« und sagen »Wir streiken«, dann hätte man in den Kommunen »keine Stadtwerke mehr« oder könne Krankenhäuser dichtmachen. »Die Industrie kann schließen«, sagte Lindh. Daher müsse die Union »auf ihre eigenen Leute in der Wirtschaft« hören. Und damit Unternehmen mehr Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, sollen sämtliche noch bestehenden Arbeitsverbote für Geflüchtete in der BRD abgeschafft werden, erklärte Marcel Emmerich (Grüne). Deutschland brauche Zuwanderung, um seine »wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit zu erhalten«.
Die Fluchtgründe könne man »nicht einfach abstellen«, gab Clara Bünger (Die Linke) schließlich zu bedenken. So würden Menschen aus Syrien fliehen, weil das türkische Militär dort »völkerrechtswidrig kurdische Gebiete bombardiert«. Die BRD sei zugleich einer der engsten Partner des NATO-Staates Türkei. Generell würden Menschen die Flucht ergreifen, weil Kriege oder zerstörte Lebensgrundlagen ihnen keine andere Wahl ließen.
Die Abgeordnete habe mehr als 120 Kommunen angefragt, was ihnen helfen würde. Aus den Rückmeldungen habe sich ergeben: »mehr Geld für strukturelle Förderung, beispielsweise Integrationskurse und Sprachklassen«. Kommunen würden statt dessen »kaputtgespart« und erhielten inflationsbereinigt weniger Geld pro Asylsuchendem als unter der vorherigen CDU-geführten Bundesregierung.
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Liebe Sahra, hier liegst Du falsch.
Wer als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt worden ist, bekommt eine Aufenthaltserlaubnis und wird damit leistungsberechtigt nach dem SGB II oder SGB XII, wenn er ohne Erwerbsarbeit ist. Das bedeutet ab 1. januar 2024 monatlich 563 Euro plus Kosten der Unterkunft.
Wenn jemand nicht anerkannt wird, bekommt er in der Regel eine Duldung, was Aussetzung der Abschiebung bedeutet, und deutlich geringere Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, das auch für abgelehnte Asylbewerber gilt.
Bei der Höhe der Leistungen muss man zwei Fälle unterscheiden: Wenn die Abschiebung aus Gründen nicht möglich ist, die der abgelehnte Asylbewerber nicht zu vertreten hat, bekommt er ab 1. Januar 2024 monatlich 460 Euro plus Kosten der Unterkunft. Wenn die Abschiebung nicht möglich ist, weil der abgelehnte Asylbewerber die Schwierigkeit der Abschiebung selbst herbeigeführt hat, er z. B. keinen Reisepass besorgt oder den Reisepass versteckt oder weggeworfen hat, reduziert sich die Leistung nach § 3a Abs. 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes auf den notwendigen Bedarf, also das physische Existenzminimum, was monatlich 256 Euro plus Kosten der Unterkunft ausmacht, wobei diese deutlich reduzierten Leistungen auch als Sachleistung gewährt werden können.
Kürzungen unter diese Grenze sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gar nicht möglich, weil sie der Menschenwürde (Art. 1 GG) und dem Sozialstaatsgebot Art. 20 GG) widersprechen würden.
Entgegen Deiner Darstellung macht es schon Sinn, sich um einen anerkannten Schutzstatus zu bemühen. Wenn Du Ungerechtigkeiten im System auf Kosten des Steuerzahlers ansprechen willst, dann würde ich einmal die ukrainischen Flüchtlinge in den Blick nehmen. Die müssen nämlich gar kein Asylanerkennungsverfahren durchlaufen und bekommen im Fall der Erwerbslosigkeit seit dem 1. Juni 2022 Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII wie Deutsche, also jetzt 563 Euro plus Kosten der Unterkunft, also deutlich mehr als alle anderen Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten kommen.