junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Montag, 29. April 2024, Nr. 100
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 15.03.2024, Seite 15 / Feminismus
Ostafrika

Protestwelle gegen Femizide

Kenia: Steigende Zahl von Morden an Frauen. Empörung über Taten- und Straflosigkeit wächst
Von Tim Krüger
imago0396960080h.jpg
Feministinnen verurteilen Femizide: Proteste gegen die jünsten Frauenmorde in Kenia

»Alle in Regierungsverantwortung, die uns nicht schützen können, müssen sofort zurücktreten«, verkündet die feministische Aktivistin Rachael Mwikali Mueni entschlossen von der Bühne. Es ist ein warmer Spätnachmittag, mehrere hundert schwarzgekleidete junge Menschen haben sich auf dem Gelände der Universität in Nairobi zusammengefunden. Als »dunklen Valentinstag« bezeichnen die Studierenden und Aktivistinnen ihre Protestveranstaltung am 14. Februar. Die Kundgebung an dem symbolträchtigen Tag reiht sich ein in eine ganze Serie von Aktionen, die in der letzten Zeit die kenianische Hauptstadt bewegten. Auslöser der Protestbewegung, die vor allem von Frauen und feministischen Organisationen angeführt wird, war eine Reihe von Femiziden, die im Januar die Öffentlichkeit des ostafrikanischen Landes erschütterten.

In den vergangenen Jahren hat Kenia eine regelrechte Epidemie von Morden an Frauen erlebt. Die Fallzahlen sind steigend. Laut der Organisation Feminicide Count Kenya wurden 2023 im ganzen Land 152 Frauen Opfer von Männergewalt. Dabei erfassen die Statistiken nur eindeutig dokumentierte Fälle. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Allein seit Anfang dieses Jahres berichteten kenianische Nachrichtenagenturen von mindestens 16 Femiziden. Vor allem die brutalen Morde an der Instagram-Influencerin Starlet Wahu und einer 20jährigen Studentin der Jomo-Kenyatta-Universität, Rita Waeni, wurden zum Auslöser der größten Frauenproteste der jüngeren Geschichte Kenias. Als am 27. Januar Tausende von Menschen, vor allem Frauen, auf die Straßen Nairobis strömten, erreichten sie ihren bisherigen Höhepunkt.

Dabei ist es nicht nur die steigende Zahl der Morde, die die Menschen auf die Straßen bringt, sondern vor allem die fehlende Reaktion von seiten der politischen Führung. »Unsere Regierung hat nur sehr wenig bis gar nichts zu dieser Angelegenheit gesagt. Sie hat die Femizide nicht mal verurteilt«, meint Faith Kasina am Rande der Kundgebung. Die junge Frau ist Aktivistin im Kayole Community Justice Center (KCJC) und war an den Protesten der vergangenen Wochen beteiligt. Das KCJC ist Teil eines Netzwerks von Gesellschaftszentren in den Armenvierteln von Nairobi. Über den Kampf gegen staatliche Willkür und Polizeigewalt hinaus arbeiten die Aktivistinnen auch an der Aufklärung und Prävention von Femiziden und Gewalt an Frauen. Kasina bemängelt, dass die Justiz die Täter nicht ausreichend verfolge und die Prozesse über Jahre in die Länge gezogen würden.

Viele Fälle würden von den Behörden unter den Teppich gekehrt, und auch der öffentliche Diskurs rund um die Morde sei kontraproduktiv. »In der Öffentlichkeit werden dann auf einmal die Opfer beschuldigt«, meint die Aktivistin. Auch nach den jüngsten Morden hätten viele gefragt: »Was hat die Frau da zu suchen gehabt?« Sie hätten versucht, den Fehler bei den Opfern zu suchen, statt die Schuld der Täter zu erkennen. Für Kasina und viele andere Aktivistinnen ist klar: Wenn nun nicht gehandelt werde, seien die Frauen gezwungen, weiter auf die Straße zu gehen, um den Druck zu erhöhen. Von der Regierung seien viele enttäuscht, erklärt Kasina. »Wir haben leider festgestellt, dass sie nicht wirklich den Interessen der Frauen und Mädchen in diesem Land dient.«

Auch wenn der 8. März in Nairobi ohne große Proteste begangen wurde, glaubt Faith Kasina, dass die Proteste der vergangenen Wochen der Beginn einer neuen Frauenbewegung sein könnten. Zum ersten Mal seien Frauen über alle organisatorischen und weltanschaulichen Grenzen hinweg zusammengekommen. Derweil schreitet die Organisation der Bewegung weiter voran. So nahmen die Frauen der Revolutionary Socialist League, einer landesweiten sozialistischen Organisation, den »Kampftag der werktätigen Frauen« zum Anlass, ein Forum über die Geschichte der revolutionären Frauenbewegung und mögliche Perspektiven für Kenia zu veranstalten. Kasina ist sich jedenfalls sicher: »Wir müssen mehr Druck aufbauen. Das ist noch lange nicht alles, was wir wollen!«

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Regio:

Mehr aus: Feminismus