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Aus: Ausgabe vom 15.03.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Wirtschaftskrieg

Tik Tok: Verkauf oder Verbot

Washington geht gegen chinesische Videoapp vor. Die ruft ihre Nutzer zum Protest auf
Von Raphaël Schmeller
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Wehren sich gegen ein drohendes Verbot: Tik-Tok-Nutzer protestieren am Dienstag vor dem Repräsentantenhaus in Washington

Der US-chinesische Streit um Tik Tok spitzt sich zu. Nachdem das Repräsentantenhaus am Mittwoch in Washington ein Gesetz verabschiedet hatte, das die Tik-Tok-Mutter Bytedance zum Verkauf der App verpflichtet, reagiert Beijing nun mit scharfer Kritik. Wenn sogenannte nationale Sicherheitsgründe dazu benutzt würden, »um überlegene Unternehmen anderer Länder mutwillig zu unterdrücken, kann man nicht von Fairness sprechen«, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Donnerstag. »Die Art und Weise, wie die USA mit dem Fall Tik Tok umgehen, lässt die Welt klar erkennen, ob die sogenannte regelbasierte Ordnung der USA der Welt oder ihr selbst dient.«

Das vom US-Repräsentantenhaus mit überwältigender Mehrheit verabschiedete Gesetz sieht vor, dass Bytedance die App innerhalb von sechs Monaten verkaufen muss. Andernfalls droht dem Videodienst, der in den USA mehr als 170 Millionen Nutzer hat, ein landesweites Verbot. Eine Entscheidung des US-Senats steht noch aus. Präsident Joseph Biden forderte die Kammer auf, sich schnell mit dem Thema zu befassen. Er hatte bereits signalisiert, das Gesetz unterzeichnen zu wollen.

Tik Tok kritisierte den Gesetzentwurf als »faktisches Verbot«. Firmenchef Shou Zi Chew kündigte in einem am Mittwoch veröffentlichten Video an, man werde alles tun, um die Plattform mit allen rechtlichen Mitteln zu verteidigen. Er rief die Nutzer auf, sich gegen das drohende Verbot der App in den USA zu wehren. »Schützt eure verfassungsmäßigen Rechte (…) Sorgt dafür, dass eure Stimmen gehört werden.«

Tik Tok ist die einzige international erfolgreiche Onlineplattform, die nicht aus den USA stammt. Washington wirft Bytedance Spionage für die Kommunistische Partei Chinas vor. Konkrete Beweise, dass persönliche Daten von Tik-Tok-Nutzern an die Regierung in Beijing gelangen, gibt es bislang allerdings nicht. Dennoch haben die USA und zahlreiche andere westliche Staaten bereits ein Nutzungsverbot für staatliche Stellen und deren Mitarbeiter ausgesprochen. In Deutschland ist den Bediensteten des Bundespresseamtes die Nutzung von Tik Tok auf ihren Dienstgeräten untersagt. Medienberichten zufolge prüft das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mögliche Risiken der App. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden zunächst nicht veröffentlicht. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, hat nach eigenen Angaben bereits 2021 allen Bundesministerien und -behörden davon abgeraten, die App auf Diensthandys zu installieren.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marcus B. (15. März 2024 um 10:48 Uhr)
    Tik Tok hin, Bytedance her, was dieses Gesetz zeigt, ist, dass grundsätzliche Bedenken gegen jedwede Plattform dieser oder ähnlicher Ausprägung bestehen sollten, insbesondere gegen die US-amerikanischen. Denn seit den Snowden-Leaks und den späteren Twitter-Files ist ja wohl klar, dass die dortigen Behörden nur allzu gern selbst Zugriff auf derlei Daten haben. In der TV-Serie »Person of Interest«, brachte das ein fiktionaler Ex-Stasi-Offizier auf den Punkt: »Dafür hätten wir getötet!« (Übrigens stammt die Serie aus der Feder von Christopher Nolans jüngerem Bruder, Johnathan.) Das sollte auch die jW bedenken, wo ich gerade wieder die »obligatorischen« Buttons von Fratzenbuch und Co. sehe. Ich erinnere an dieser Stelle auch gern daran, dass die Nazis in Belgien (oder waren es die Niederlande?) leichtes Spiel mit dem Aufspüren von Juden hatten, weil die Konfession nämlich im Ausweis stand und somit zentral bei den Einwohnermeldebehörden abgreifbar vorlag, mit Adresse, wo denn der LKW vorbeifahren muss auf dem Weg zum Bahnhof. Das Gleiche ist z. B. auch denkbar mit einer (künftigen) faschistoiden Regierung, welche dann nur auf den einschlägigen Seiten nachzuschlagen braucht, wem was »gefällt« oder wer so »subversiven linksversifften« Medien wie jW »folgt«, wissen schon. Ich sehe mal wieder die Tendenz, dass in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung die Überwachungsstrukturen für die Faschisten freiwillig und in bester Absicht gebaut werden, unter Ausblendung der negativen Seiten. Die Erstellung von »Feindeslisten« ist eigentlich ziemlich trivial, wenn man nur einfache IT-Kenntnisse hat (mal »Scraper« recherchieren); da gab es doch so einen Fall von »Doxxing« durch einen rechten Spinner, der auch nur auf öffentlich zugängliche Quellen zugegriffen hatte, ganz legal. Wenn so ein Amateur das kann, was werden dann wohl die Profis veranstalten, die ggf. auch Zugriff auf nicht öffentliche Schnittstellen haben? Denkt mal gründlich drüber nach, liebe Redaktion und Mitleser.

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