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Aus: Ausgabe vom 15.03.2024, Seite 8 / Abgeschrieben

Initiative: 43 Tote im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen im Jahr 2023 in Deutschland

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Demonstration in Herford, nachdem Polizisten 34 Schüsse auf einen bei einer Kontrolle flüchtigen 19jährigen Autofahrer abgegeben hatten (7.10.2023)

Die Initiative »Tode bei Polizeieinsätzen aufklären!« (Topa) zeigt in einer Recherche 43 Fälle auf, bei denen es im Jahr 2023 in Deutschland zu Todesfällen in Zusammenhang mit Polizeieinsätzen kam:

(…) Viele Fragen um den jeweiligen Tathergang der Tode während Polizeieinsätzen bleiben unbeantwortet. (…) »Die Gesamtzahl von 43 Toden bei Polizeieinsätzen erschreckt uns, daher haben wir dazu weitere Informationen gesammelt. Es geht um 43 Menschen mit unterschiedlichen Lebenslagen, Zielen und Geschichten. Alle diese Geschichten wurden in einem Zusammentreffen mit der Polizei beendet«, sagt Laura Becker, Sprecherin der Initiative Topa aus Bochum. (…) In mindestens zwölf Bundesländern kam es im vergangenen Jahr demnach zu Todesfällen bei Polizeieinsätzen. Die Initiative Topa bemängelt eine grundlegende Intransparenz bei dem sensiblen Thema. Laura Becker dazu: »Die verfügbaren Informationen stammten in vielen Fällen ausschließlich von der Polizei selbst. Pressemeldungen übernehmen oft unkritisch die Formulierungen der Polizei, und viele Medien haben oftmals nur die Polizei als Quelle. In zwei Fällen wurde die Öffentlichkeit bis zur aktuellen Recherche nicht über die Todesfälle informiert.« (…)

Sie führt weiter aus: »Die Polizei deutet die Tode in ihren Berichten oft so, dass es unausweichlich gewesen zu sein scheint, den Tod von Menschen in Kauf zu nehmen. Die getöteten Menschen werden zudem häufig als derartig gefährlich dargestellt, dass die Polizei keine andere Wahl gehabt hätte. Mit der Formulierung, dass eine Person sich in einer ›psychischen Ausnahmesituation‹ befände, wird der Gewaltzugriff oft gerechtfertigt. Sozialarbeiter*innen oder Psycholog*innen werden kaum hinzugerufen. Durch diese Beschreibungen werden Personen bewusst als abweichend und bedrohlich markiert.« (…)

Anlässlich des internationalen Tages gegen Polizeigewalt ruft ein Bündnis linker Gruppen in Kiel zu einer Demonstration auf:

(…) »Gerade in der BRD gilt die Polizei bei vielen bis heute als ›Freund und Helfer‹. Übersehen wird dabei oft, dass sie eine rassistische und klassistische Ordnung verteidigt und mit Gewalt durchsetzt. Marginalisierte Gruppen wie BIPOC und Drogenabhängige passen nicht in diese Ordnung. Sie erleben alltäglich Gewalt durch Cops. Doch auch Linke und Fußballfans sind von Angriffen betroffen. Wir nehmen den internationalen Tag gegen Polizeigewalt, um mal wieder darauf aufmerksam zu machen, dass die Polizei immer noch diskriminierend, brutal und tödlich ist«, äußert sich Marion T. zur Motivation für die Demo.

Ein Fokus der Demonstration soll auf dem Agieren der Polizei in Gaarden liegen. Das dortige Polizeirevier wurde zur Bekämpfung der Drogenkriminalität mit sogenannten Distanzelektroimpulsgeräten, auch Taser genannt, ausgerüstet. (…) Besonders für Menschen mit Vorerkrankungen oder unter Drogen stehende Menschen ist der Einsatz potentiell tödlich. Auf die Taser angesprochen, äußert sich Clemens R.: »Die Polizei hat ein weiteres Gewaltmittel erhalten, eine Möglichkeit mehr, um Menschen umzubringen oder zu foltern. Das ganze passiert gerade in einem Stadtteil, in dem vielen People of Color und viele arme Menschen leben, das heißt Menschen, die von der Polizei in ihrem Alltag sowieso schon viel schikaniert werden. (…)«

Demonstration am Freitag um 17 Uhr Vinetaplatz in Gaarden

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