Frankreichs letzte Bastion
Von Gerhard FeldbauerVor den von der Opposition durchgesetzten Präsidentschaftswahlen am 6. Mai sind in Tschad Regierungsgegner ausgeschaltet und aussichtsreiche Herausforderer umgebracht worden. In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar wurde der Präsident der Sozialistischen Partei ohne Grenzen (Parti Socialiste Sans Frontière, PSF), Yaya Dillo, während einer Razzia der tschadischen Sicherheitskräfte im Hauptquartier der Partei in N’Djamena erschossen. Insgesamt wurden zwölf PSF-Mitglieder ermordet. Am folgenden Tag ließ die regierende Junta unter dem Übergangspräsidenten, Mahamat Idriss Déby Itno, die Parteizentrale abreißen. Der PSF-Vorsitzende wurde beschuldigt, angeblich einen Angriff auf die Zentrale des Geheimdienstes Agence nationale de sécurité (ANS) angeführt zu haben. Laut Opposition hatte es sich um Proteste gegen die Verhaftung und Tötung des PSF-Mitglieds Ahkmed Torabi, ebenfalls Kandidat für die Präsidentenwahl, gehandelt. Ihm wurde angelastet, ein Attentat auf den Präsidenten des Obersten Gerichts, der die ständige Verschiebung der Präsidentenneuwahlen absegnete, versucht zu haben.
Schmutziger Krieg
Das kommunistische italienische Magazin Contropiano berichtete am Montag über die Beteiligung von französischen Geheimdiensten an der Ermordung des PSF-Vorsitzenden, der ein Cousin des Übergangspräsidenten und dessen wichtigster Gegner bei den für den 6. Mai angesetzten Präsidentschaftswahlen war. Tschad ist nach dem Rauswurf von französischen Truppen aus Niger, Mali und Burkina Faso in den vergangenen zwei Jahren die »letzte Bastion« von Françafrique in der Sahelzone. Paris scheint bereit zu sein, in die »guten Zeiten« der »schmutzigen Kriege« in Afrika zurückzukehren, hebt Contropiano hervor. Unter dem Übergangspräsidenten, General Mahamat Idriss Déby Itno, der 2021 nach seinem umgebrachten Vater von einem aus 15 Generälen bestehenden militärischen Übergangsrat zum Präsidenten ernannt wurde, ist Tschad eng mit Frankreich verbunden. Derzeit sind rund 1.000 französische Soldaten in der früheren französischen Kolonie stationiert. Emmanuel Macrons Gesandter für Afrika, Jean-Marie Bockel, der Frankreichs »Bewunderung« für den seit drei Jahren an der Macht befindlichen autoritären Chef der Junta ausdrückte, bekräftigte: »Wir müssen bleiben und werden natürlich bleiben.«
Die Medienagentur Tchad-One hatte enthüllt, dass »die französischen Geheimdienste in die Ermordung des tschadischen Oppositionsführers verwickelt« seien. Der Bericht bezog sich auf »zwei hochrangige Sicherheitsquellen«, denen zufolge die Operation in Paris und N’Djamena Monate im Voraus, im November 2023, geplant wurde. In die »lange und sorgfältige« Vorbereitung, waren demzufolge Führungskräfte des tschadischen Inlandsgeheimdienstes ANS, aktive und außer Dienst gestellte Militärs und Agenten der französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE einbezogen. Tchad-One kündigte an, weitere »neue Details« zu veröffentlichen.
Eine Scheinwahl
Der Mord hat internationale Proteste hervorgerufen. Human Rights Watch fordert eine unabhängige Untersuchung der Gewalt. Auch in Tschad selbst gibt die Opposition sich nicht geschlagen und prangert eine »Scheinkandidatur« an, die darauf abzielt, den Anschein von Pluralität bei den Wahlen zu erwecken, von denen anzunehmen ist, dass sie im Voraus von Mahamat Déby, der »Marionette der französischen Regierung« gewonnen werden. Premier Succès Masra, der 2018 die Partei Les Transformateurs gründete, die zur Opposition gehört, erklärte, »nachdem der wichtigste Oppositionsführer in Tschad physisch eliminiert wurde, stehen wir vor einer Scheinwahl« und kündigte an, für die Präsidentschaftswahlen am 6. Mai zu kandidieren.
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