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Aus: Ausgabe vom 12.03.2024, Seite 6 / Ausland
Gazakrieg

Netanjahu widerspricht Biden

Israels Premier hält an Angriff auf Rafah fest und leugnet Hunger im Gazastreifen
Von Knut Mellenthin
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Tropfen auf den heißen Stein: Palästinenser hoffen auf weitere Abwürfe von Hilfslieferungen aus der Luft (Gaza-Stadt, 9.3.2024)

Benjamin Netanjahu hat die Kritik von US-Präsident Joseph Biden, er schade dem Staat Israel mehr als ihm zu nützen, zurückgewiesen. Der israelische Regierungschef wählte für seine Erwiderung am Sonntag das US-amerikanische Magazin Politico, das seit 2021 zum Springer-Konzern gehört.

Er wisse nicht genau, was der Präsident mit diesem Vorwurf gemeint habe, sagte Netanjahu in dem offenbar längeren, mehrere zentrale Meinungsverschiedenheiten berührenden Gespräch mit dem stellvertretenden Chefredakteur von Bild, Paul Ronzheimer, das Politico und (in einer etwas anderen Version) Bild veröffentlichten. Aber falls Biden damit sagen wollte, dass er den Wünschen oder Interessen Israels zuwiderhandle, liege er in beiden Punkten falsch. Das israelische Volk unterstütze seine Position, dass Israel es ganz entschieden ablehnen müsse, sich einen Palästinenserstaat aufzwingen zu lassen. Soweit es die Mehrheit der jüdischen Israelis betrifft, hat Netanjahu mit dieser Feststellung eindeutig recht. Das gilt nicht erst seit dem 7. Oktober 2023, auch wenn der Premierminister diesen Aspekt in den Vordergrund schob.

Was der israelische Premier von der europäischen Sichtweise halte, dass es ohne eine Zweistaatenlösung keinen Frieden geben könne, wollte Ronzheimer wissen. Die Antwort Netanjahus: Die Europäer verstünden nicht, dass der Frieden nicht an einem fehlenden palästinensischen Staat scheitere, sondern daran, dass die Palästinenser den jüdischen Staat nicht anerkennen wollten.

Der Premierminister setzte damit eine seit Jahren übliche Standardausrede ein, die sachlich falsch ist: Jassir Arafat hat als Vorsitzender der PLO und Vertreter des palästinensischen Volkes schon 1993, also vor über 30 Jahren, das »Recht des Staates Israels, in Frieden und Sicherheit zu existieren«, in schriftlicher Form anerkannt. Doch alle relevanten israelischen Politiker und Parteien weigern sich und haben sich auch früher geweigert, das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat auch nur im Grundsatz, geschweige denn mit praktischen Schritten, zu respektieren. In dem von Politico und Bild veröffentlichten Gespräch wiederholte Netanjahu den Anspruch, dass Israel unter allen Umständen zeitlich unbegrenzt die »volle Sicherheitskontrolle« über das gesamte Gebiet zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer behalten müsse. Das gelte auch für den Fall, dass es zu einer Änderung der palästinensischen »Führung« und »Kultur« kommen sollte.

Netanjahu bekräftigte in dem Gespräch außerdem die Absicht, auch die an Ägypten grenzende Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens durch israelische Bodentruppen stürmen zu lassen. Für die Fortsetzung des Kampfes gegen die Hamas bis zu deren Zerstörung habe Israel die stillschweigende Zustimmung mehrerer arabischer Führer, behauptete er weiter, ohne jedoch Namen zu nennen. »Sie verstehen, dass Hamas Teil der iranischen Terrorachse ist.«

Der israelische Regierungschef äußerte sich nicht dazu, wann mit dem Angriff auf Rafah zu rechnen sei. Indirekt schien er aber einen Zeitrahmen anzudeuten, denn er gab an, Israel stehe kurz davor, den letzten Teil des Krieges abzuschließen. Die weiteren Kämpfe würden jetzt »nicht mehr als zwei Monate« in Anspruch nehmen, »vielleicht sechs Wochen, vielleicht vier«. Aussagen zu dieser Frage scheinen allerdings je nach politischer Zweckmäßigkeit stark veränderlich: Bei anderen Gelegenheiten war auch schon die Rede von einer weiteren Kriegsdauer von mindestens einem Jahr.

Der Plan, den Gazastreifen auf dem Seeweg mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen dringend benötigten Gütern zu versorgen, den Biden am Donnerstag in seiner »Rede zur Lage der Nation« ankündigt hatte, stamme eigentlich von ihm selbst, erzählte Netanjahu im Politico-Gespräch. Im übrigen bestritt er tatsächlich die solide dokumentierten Feststellungen unterschiedlichster Beobachter, dass ein großer Teil der Menschen im Gazastreifen unter Hunger leiden.

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