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Aus: Ausgabe vom 12.03.2024, Seite 2 / Inland
Arbeitskampf

Sechster GDL-Streik in Folge

Lokführergewerkschaft tritt erneut in den Ausstand, Deutsche Bahn klagt
Von David Maiwald
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Nix los in Hannover, wie immer: Beim GDL-Streik fuhr aber nicht einmal ein Zug.

»Grundlos« sei der nun sechste Arbeitskampf der Gewerkschaft der Lokomotivführer bei der Deutschen Bahn. Am Montag vormittag hatte der Staatskonzern daher einen Eilantrag auf Unterlassung des Streiks eingereicht. Bis jW-Redaktionsschluss stand noch keine Entscheidung fest. Sollten sich der Verlauf der Verhandlung und der angesetzte Streikbeginn überschneiden, könne die Gewerkschaft den Arbeitskampf dennoch starten, »sofern keine Unterlassung vorliegt«, erklärte eine Gerichtssprecherin auf jW-Anfrage.

Die Bahn war schon im Januar vor dem Arbeitsgericht mit dem Versuch, den Arbeitskampf der GDL-Eisenbahner zu verhindern, gescheitert. Kurz zuvor hatte der Konzern beim Landesarbeitsgericht eine Feststellungsklage erhoben, um der Lokführergewerkschaft den Status als solche abzuerkennen.

Die GDL hatte den Ausstand im Güterverkehr ab 18 Uhr am Montag angekündigt. Ab diesem Dienstag soll dann früh morgens der Personenverkehr stillstehen. Da die Bahn eine Frist der Gewerkschaft zur Vorlage eines neuen Angebots am Sonntag abend habe verstreichen lassen, sei diese nun »unweigerlich und zum Leidwesen der DB-Kunden« gezwungen, die Auseinandersetzung fortzuführen, hieß es in einer Mitteilung.

Der Streikaufruf folgt der Ankündigung von GDL-Chef Klaus Weselsky. Dieser hatte nach dem 35stündigen Ausstand der vergangenen Woche erklärt, die DB könne bei andauernder Verweigerungshaltung keine langen Vorlaufzeiten mehr zur Einrichtung von Notfahrplänen erwarten. Für »Millionen von Bahnreisenden und die Wirtschaft eine blanke Zumutung«, befand die DB am Montag. Fern-, Regional- und S- Bahn-Verkehr sollten dennoch wie zu den vorherigen Warnstreiks mit einem »Grundangebot« durchgeführt werden, so die Bahn.

Durch die Ablehnung einer Einigung, die »bei 28 Eisenbahnverkehrsunternehmen für über 15.000 Eisenbahner Anwendung findet«, würden nicht nur Streiks provoziert, sondern »unverantwortlich, fast unbeirrt, Steuergelder der Bürger verbrannt«, hatte die GDL am Sonntag kritisiert. Gegner der Gewerkschaft schoben jedoch ihr die Schuld an der Eskalation zu. »Streiken, anstatt zu verhandeln«, sei »verantwortungslos« bemerkte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Springer-Boulevard zu seiner Forderung nach einem förmlichen Schlichtungsverfahren.

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  • Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (14. März 2024 um 14:53 Uhr)
    Erstritten ist besser als erbettelt. Dem wird die Mehrheit der Lohnabhängigen vorbehaltlos zustimmen. In Erinnerung wird mancher Ältere noch haben, wie im Arbeiter- und Bauernstaat ein fehlendes Streikrecht gern beklagt wurde. Jetzt, wo der Arbeitskampf gewerkschaftliches Recht ist, zeigt sich, was das Recht wert ist, wenn die Solidarität Schaden erlitten hat, das Bewusstsein der Lohnabhängigen zurückgeblieben ist, das Teile und Herrsche der Herrschenden bestens funktioniert oder einfach auch der Neid und Vorurteile in die werktätige Bevölkerung getragen wird.
    Sich als Gewerkschaften zum Bündnispartner des Kapitals zu machen, gewerkschaftliche Rechte zu vertrieblichen, hat verheerende Entsolidarisierung gebracht. Belegschaften, Gewerkschaften können ihre gemeinsamen Interessen nur im gemeinsamen, solidarischen, sich gegenseitig unterstützenden Kampf gegen die Macht des Kapitals durchsetzen und wahren. Das Kapital führt den Kampf in seinem gegensätzlichen Interesse mit allen Mitteln. GDL-Chef Weselsky, seine streikbereiten KollegenInnen erfahren es gerade mehr und mehr. Weselsky erscheint medial zunehmend als Unperson, wozu ihn Medien machen, die von Herrschenden beherrscht sind. Ein Streik, der keinen wirtschaftlichen Druck ausübt, ist kein Streik, sondern kollektives Betteln, sagte einst ein IG- Metall-Chef Peters. Solche Streiks mag Kapital, Bahnvorstand, Aktionäre und Staat nicht. Deshalb wird erfolgreich medial Meinung und Stimmung gemacht, Neid-Diskussion entfacht oder Tränen für leidende Bahnkunden gezeigt. Wo sich Lohnabhängige ihrer Rolle und Lage nicht mehr bewusst sind, lassen sie sich leicht gegeneinander aufbringen, wie wir alle wahrnehmen können. Warum wird nicht ein Bahnvorstand verantwortlich gemacht für Streik und Wirkungen, für seine unnachgiebige Haltung? Warum wird gemeint, die Lokführer könnten nicht genug bekommen, aber nie hinterfragt, was sich Bahnvorstände, Aktionäre, Profiteure leisten und genehmigen trotz miserabelsten Bahnmanagements, stetiger Verschlechterungen für Bahnfahrende bei stetig steigenden Preisen?
    Die Bahn wurde von der Politik aus der öffentlichen Daseinsvorsorge genommen, mit Ziel der Privatisierung. Beamte wurden zu Tarifkräften gemacht, die nun auch das Streikrecht haben.
    Eine GDL weiß das besser und solidarischer zu nutzen als viele im DGB.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (18. März 2024 um 15:46 Uhr)
      Bejubelt da einer die Konterrevolution von 1989? Nach dem Motto: Den Arbeitern wurden zwar die Betriebe und ihr Staat gestohlen, haben dafür aber wenigstens das ein bisschen »Streikrecht« erhalten: »In Erinnerung wird mancher Ältere noch haben, wie im Arbeiter- und Bauernstaat ein fehlendes Streikrecht gern beklagt wurde.« Interessant, dass Sie den Unterschied zwischen einem Arbeiter- und Bauernstaat und einem Staat der Bourgeoisie nicht kennen. Streiken die Arbeiter in ihrem (!) Staat, streiken sie gegen sich selbst. Im Übrigen gibt es in der BRD, im Gegensatz zur DDR-Verfassung von 1949, keine gesetzliche Regelung des Streikrechts. In KAZ Nr. 346 und Nr. 375 heißt es: »Das sogenannte Streikrecht in der BRD. Die gerade in den Gewerkschaften oft gemachte Aussage bzw. geäußerte Annahme, das Streikrecht sei im Grundgesetz festgelegt und verankert, trifft so nicht zu. Wäre das der Fall, könnte es nicht immer wieder bei allen sich bietenden Gelegenheiten (betrieblichen und gewerkschaftlichen Streiks) vom Kapital angegriffen und danach von Arbeitsrichtern immer wieder neu ausgelegt bzw. ausgerichtet werden. (…) Also ist klar, es gibt die gesetzliche Regelung des Streikrechts nicht. Seit dem Bestehen der BRD wird es der Arbeiterbewegung in diesem Lande durch Urteile der Klassenjustiz als sogenanntes Arbeitskampfrecht diktiert – folgt man dabei der Frau Präsidentin: unfreiwillig! Hierbei ist im Grundgesetz nicht von Streiks, sondern von Arbeitskämpfen die Rede, die zur Wahrung- und Förderung der Wirtschaftsbedingungen … geführt werden. (…) Zu diesem Recht gehört dann auch, durch Urteile bestätigt, das Recht des Kapitals komplette Belegschaften als Abwehrmaßnahme gegen einen Streik ›zur Förderung seiner Wirtschaftsbedingungen‹ durch Aussperrung auf die Straße zu jagen.«

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