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Aus: Ausgabe vom 12.03.2024, Seite 1 / Titel
Waffenhandel

Pulverfass ohne Boden

Neue Daten: US-Rekord im Rüstungsexport. Deutschland bleibt weltweit auf Platz fünf der Lieferanten großer Waffen
Von Arnold Schölzel
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Verkaufsschlager der US-Rüstungsindustrie: Kampfjet »F-35« des Herstellers Lockheed Martin

Die USA lieferten im Zeitraum 2019 bis 2023 große Waffen an 107 Staaten, mehr als in jedem anderen Fünfjahreszeitraum zuvor. Auf die USA und Westeuropa entfielen in diesem Zeitraum zusammen 72 Prozent aller Rüstungsexporte, im Zeitraum 2014 bis 2018 waren es 62 Prozent. Die Staaten Europas haben zugleich ihre Importe großer Kriegsgüter zwischen 2019 und 2023 im Vergleich zu den fünf Jahren von 2014 bis 2018 fast verdoppelt (plus 94 Prozent). Hintergrund ist vor allem der Ukraine-Krieg. Weitaus größere Waffenmengen flossen allerdings 2019 bis 2023 nach Asien, Ozeanien und in den Nahen Osten. Die USA steigerten ihre Waffenexporte in diesem Zeitraum um 17 Prozent und erreichten damit einen Anteil von 42 Prozent weltweit, während sich die russischen Exporte halbierten. Russland fiel knapp hinter Frankreich auf den dritten Platz zurück. Das weltweite Volumen des Handels mit Rüstungsgütern ging in den fünf Jahren um 3,3 Prozent zurück, Afrikas Importe sanken sogar um 52 Prozent – vor allem, weil Algerien und Marokko ihre Waffeneinfuhren drastisch reduzierten. Das geht aus Daten hervor, die am Montag vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) veröffentlicht wurden. Das Institut erfasst dabei Daten des Handelsumfangs, nicht die Preise.

Die Ukraine war demnach 2019 bis 2023 der viertgrößte Waffenimporteur der Welt (nach Indien, Saudi-Arabien und Katar) und der größte in Europa. Das Land steigerte seine Einfuhren im Vergleich zu den fünf Jahren davor um mehr als 6.600 Prozent und hatte einen Anteil von 23 Prozent der Rüstungsimporte auf dem Kontinent. Die meisten Kriegsgüter erhielt Kiew aus den USA (39 Prozent), der BRD (14 Prozent) und Polen (13 Prozent).

Der Anteil der deutschen Waffenexporte machte 5,6 Prozent des weltweiten Gesamtvolumens aus, obwohl die Exporte im Vergleich zum Zeitraum 2014 bis 2018 um 14 Prozent sanken. Die BRD bleibt aber auf Platz fünf der größten Waffenexporteure. Für Israel ist Deutschland mit 30 Prozent der Waffenimporte des Landes hinter den USA (69 Prozent) der wichtigste Lieferant.

Der Direktor des SIPRI-Waffentransferprogramms Mathew George erklärte zu dem neuen US-Rekord beim Rüstungsexport: »Die USA haben ihre globale Rolle als Waffenlieferant ausgebaut – ein wichtiger Aspekt ihrer Außenpolitik –, sie haben mehr Waffen in mehr Länder geliefert als je zuvor.« Dies geschehe zu einer Zeit, »in der die wirtschaftliche und geopolitische Dominanz der USA von aufstrebenden Mächten in Frage gestellt wird«. Frankreich erhöhte seine Exporte um 47 Prozent, wobei der größte Anteil (42 Prozent) nach Asien und Ozeanien ging, 34 Prozent wurden in den Nahen Osten geliefert. Größter Einzelimporteur französischer Waffen (30 Prozent), vor allem von Kampfflugzeugen, war Indien.

Sevim Dagdelen, Obfrau der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Auswärtigen Ausschuss, kommentierte den SIPRI-Bericht mit den Worten: »Von der ›Zeitenwende‹ profitieren vor allem die US-Waffenlieferanten. Die SIPRI-Zahlen belegen einmal mehr, dass der militärisch-industrielle Komplex in den USA mit dem Aufrüstungsprogramm der europäischen NATO-Staaten wie auch mit den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten die mit Abstand größten Milliardengeschäfte macht. Dass Deutschland weiter zu den fünf größten Waffenlieferanten der Welt gehört, ist ein Offenbarungseid für die Ampelregierung.«

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (14. März 2024 um 10:06 Uhr)
    Es ist bei Weitem nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick in den Statistiken erscheint oder wie es dargestellt wird. Zwar ist die Rüstungsindustrie zweifellos einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige, jedoch wird in den Statistiken nicht ausreichend ihre Effizienz und Effektivität herausgearbeitet. In der westlichen Wirtschaft steht der Profit unbestreitbar an erster Stelle. Die führende US-Militärindustrie ist aufgrund fehlender in- und ausländischer Konkurrenz spezialisiert und erhält ohne Wettbewerb gigantische Aufträge von politischen Entscheidungsträgern, die gleichzeitig Aktionäre im Militärsektor sind. Dies führt nicht nur dazu, dass ein Selbstbedienungsladen entsteht, sondern ist ein offensichtliches Phänomen. Das Verteidigungsministerium der USA erhält weit mehr als eine halbe Billion Dollar pro Jahr, mit steigender Tendenz. Doch seit Jahrzehnten ist das Pentagon nicht in der Lage, seine Ausgaben ordnungsgemäß abzurechnen, während der durchschnittliche US-Bürger von einem aufgeblähten militärisch-industriellen Komplex ausgepresst wird. Der Haushalt des Pentagon ist von Verschwendung geprägt, was kaum verwundert angesichts der einzigen großen Regierungsbehörde, die noch nie einer Rechnungsprüfung unterzogen wurde. Es ist kein Zufall, dass der Staat unermessliche Schulden angehäuft hat, während die Militärindustrie ungehindert floriert. Es ist, um es deutlich zu sagen, ein Skandal. Trump bezeichnete es treffend als politischen Sumpf, der dringend trockengelegt werden muss. Und noch eine vergleichende Bemerkung: Derzeit produzieren die westlichen Wertegemeinschaften mühsam eine Million Stück Kanonenmunition jährlich, während Russland, das kurzfristig auf Kriegswirtschaft umstellen konnte, allein drei Millionen Stück produziert. Hinzu kommen noch die Mengen, die Russland aus Nordkorea und China importiert. Also ist für die westlichen Wertegemeinschaften der Rüstungsexport ein Geschäft, während es für Russland nur ein effektiver Weg zum Ziel ist.

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