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Aus: Ausgabe vom 09.03.2024, Seite 7 / Ausland
Kurdischer Freiheitskampf

Vor einer neuen Offensive

Türkei will kurdische Guerilla bis Sommer besiegen. Die Partisanen schlgen derweil auch im Winter zu
Von Nick Brauns
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Gemeinsame Patrouille von türkischen und US-Truppen in Nordsyrien (Tal Abjad, 8.9.2019)

Bei einem türkischen Luftangriff in der nordirakischen Kurdistan-Region sind am Donnerstag abend zwei Bauern getötet und ein weiterer verletzt worden. Die Bombardierung beim Dorf Babula am Hang des Gare-Bergmassivs erfolgte kurz nach Ankündigung einer neuen Militärkampagne gegen die Arbeiterpartei Kurdistans PKK durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. »Wir treffen Vorbereitungen, um diejenigen zu verunsichern, die glauben, die Türkei mit einem ›Terroristan‹ an ihren südlichen Grenzen unterminieren zu können«, hatte Erdoğan am Dienstag in Anspielung auf den in der Türkei strafrechtlich verfolgten Begriff »Kurdistan« erklärt. Bis zum Sommer werde die Guerilla endgültig besiegt sein, tönte der Präsident weiter. Entsprechende Ankündigungen erfolgen seit Beginn des bewaffneten Kampfes der PKK im Sommer 1984 im Jahrestakt.

Zwar ist die Guerilla innerhalb der Türkei nur noch mit kleinen Zellen aktiv, doch in ihren Rückzugsgebieten im nordirakischen Bergland trotz regelmäßiger Militäroperationen Ankaras ungeschlagen. Anders als in früheren Jahren gelang es den aus Höhlensystemen agierenden Partisanen sogar in den Wintermonaten trotz hohen Schnees, den Besatzern schwere Schläge zu verpassen. Im Februar seien bei 18 Angriffen mindestens 41 Soldaten getötet worden, meldet das Hauptquartier der Volksverteidigungskräfte in seiner Monatsbilanz. Zum Beweis veröffentlicht die Guerilla Videos ihrer Operationen und beziffert ihre eigenen Verluste trotz über 200 türkischer Luft- und Artillerieangriffe im Februar mit nur einem gefallenen Kämpfer.

Nicht nur Erdoğans Ankündigung, sondern auch eine rege Diplomatie Ankaras mit hochrangigen irakischen und irakisch-kurdischen Vertretern sowie NATO-Verbündeten in Washington deuten auf eine mögliche türkische Frühjahrsoffensive im Nordirak hin. So traf im Anschluss an eine Begegnung des türkischen Geheimdienstchefs İbrahim Kalın mit CIA-Chef William Burns in Washington Ankaras Außenminister Hakan Fidan am Donnerstag mit seinem US-Amtskollegen Antony Blinken zusammen. Neben Rüstungszusammenarbeit stand laut Medienberichten die Bekämpfung der PKK auf der Agenda. Die US-Armee kontrolliert den Luftraum im Nordirak – türkische Angriffe finden dort mit Billigung Washingtons statt.

So bombardierte am Freitag letzter Woche eine türkische Kampfdrohne das Gebäude der Bewegung für eine Freie Gesellschaft (Tevgera Azadî) in Kelar. Dabei wurde ein Kader dieser der PKK ideologisch nahestehenden legalen Partei getötet. Einen Tag zuvor war bei einem Drohnenangriff in Sindschar ein Jeside getötet worden. Am selben Tag wurde zudem in der Stadt Sulaymania der aus der Türkei stammende Arzt Abdulkadir Sabri Toprak beim Verlassen eines Restaurants erschossen. Toprak war Mitglied des Vereins der Werktätigen aus Mesopotamien, in dem geflüchtete Kurden aus der Türkei organisiert sind. Der Vereinsvorstand hält eine türkische Urheberschaft des Anschlages für wahrscheinlich, nachdem in den letzten Jahren bereits mehrere seiner Mitglieder ermordet wurden.

Solche dem türkischen Geheimdienst zugeschriebenen Attentate konzentrieren sich auf die Region um Sulaymania. Dieser Teil der Autonomieregion steht unter der Kontrolle der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Anders als die über die Regionalregierung in Erbil herrschende Demokratische Partei Kurdistans (DPK), die über ihre Ölgeschäfte eng mit der Türkei verbunden ist, verweigert sich die PUK bislang einer direkten Kollaboration gegen die PKK. Ankara setzt auch auf wirtschaftliche Sanktionen, um die PUK auf Linie zu bringen. So werden seit rund einem Jahr die Flüge zwischen der Türkei und Sulaymania ausgesetzt.

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