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Aus: Ausgabe vom 08.03.2024, Seite 5 / Inland
Wirtschaftspolitik

Industrie schmiert ab

DIW prognostiziert »Nullwachstum« – IGM fordert Sondervermögen für Transformation
Von Oliver Rast
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Die Auftragsbücher sind leer, die Produktion stockt (Annaberg-Buchholz, 24.1.2024)

Schon lange geht es bergab für die deutsche Industrie. Das verarbeitende Gewerbe ist hierzulande mit einem starken Auftragseinbruch ins neue Jahr gestartet, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag mit. Demnach verringerte sich das sogenannte Neugeschäft um 11,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Also jener Betriebe, die Rohstoffe und Zwischenprodukte weiterverarbeiten und dabei auch Endprodukte herstellen.

Der starke Rückgang im Januar 2024 sei auf das hohe Volumen an Großaufträgen im Dezember 2023 zurückzuführen, schreiben die Wiesbadener Statistiker. Im Januar 2024 habe sich das Großauftragsvolumen wieder auf einem Durchschnittsniveau befunden. Bei allen drei Hauptgruppen, sprich bei Investitionsgütern (minus 13,1 Prozent), Vorleistungsgütern (minus 9,3 Prozent) sowie Konsumgütern (minus 5,7 Prozent) fiel der Auftragseingang im Januar gegenüber dem Vormonat.

Statt die Produktion zu schmieren, schmierten die Aufträge wieder ab, so das kecke Fazit von Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe gegenüber Reuters am Donnerstag: »Wegen der schwankenden Großaufträge fahren die Aufträge zur Zeit einen heftigen Zickzackkurs.« Der Auftragsbestand dürfte seiner Einschätzung nach in den nächsten Monaten weiter abnehmen.

Logisch, das hat Folgen, für die Gesamtwirtschaft; die kommt nicht vom Fleck, stagniert. Im laufenden Jahr schlage nur ein Nullwachstum zu Buche, prognostiziert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Donnerstag laut Mitteilung. Und: Beim Wirtschaftswachstum sollte Deutschland in diesem Jahr den meisten Industriestaaten hinterherhinken. »Die Weltwirtschaft zeigt sich weiter robust und dürfte 2024 und 2025 ein Plus von jeweils 3,5 Prozent verzeichnen.« Dabei legten die »fortgeschrittenen Volkswirtschaften« wohl um 1,5 Prozent und die Schwellenländer um 4,7 Prozent zu. Die Wirtschaft im Euro-Raum werde ohne Deutschland in diesem Jahr um ein Prozent wachsen, mit Deutschland lediglich um 0,5 Prozent, erwartet das DIW.

Der Befund ist klar; nur – was folgt daraus? »Eine aktive Industriepolitik ist unerlässlich«, sagte Alina Heisig, Pressesprecherin des Vorstands der IG Metall, am Donnerstag zu jW. Konkret: Abschaffung bzw. Reform der Schuldenbremse oder ein Sondervermögen für Transformation. Ferner müssten öffentliche Mittel an Voraussetzungen geknüpft werden – Heisig: »Sie sollten nur an Betriebe gehen, die tarifgebunden sind sowie Beschäftigung und Standorte sichern.« Janine Wissler ergänzte gleichentags gegenüber dieser Zeitung: Es brauche ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro, mindestens, »um das Land klimagerecht umzubauen und die bröckelnde Infrastruktur zu sanieren«, so die Vorsitzende der Partei Die Linke. Und Christian Leye, Bundestagsabgeordneter vom Bündnis Sahra Wagenknecht, hat eine weitere Idee. Die Einsetzung einer Industriestiftung als wirtschaftspolitisches Instrument. Die Stiftung sollte Anteile an geförderten Unternehmen halten, »damit eine demokratische Kontrolle der immensen öffentlichen Investitionen möglich wird«. Hauptsache Abkehr vom »fanatischen Sparkurs«, dann geht es vielleicht wieder bergauf. Vielleicht.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (7. März 2024 um 22:31 Uhr)
    »Die Weltwirtschaft zeigt sich weiter robust und dürfte 2024 und 2025 ein Plus von jeweils 3,5 Prozent verzeichnen.« Trotzdem werden Moderatoren und Kommentatoren der sogenannten Leitmedien nicht müde, zur Verschleierung der wahren Ursachen der Wirtschaftskrise hierzulande – Russlandsanktionen und inkompetente Regierung – zu behaupten, eine »anhaltend schwächelnde Weltwirtschaft«, hohe Energiepreise (sind irgendwie vom Himmel gefallen, keiner weiß es genau) und zu viel Bürokratie wären schuld an der Misere. Anstatt diese Nebelkerzen als solche zu entlarven, nutzen die Vertreter der großen Wirtschaftsverbände und die ihnen nahe stehenden Wirtschaftswissenschaftler und Politiker nun die Chance, um unter dem Deckmantel des »Bürokratieabbaus« den Schutz von Beschäftigten und Verbrauchern wie auch den Klima- und Umweltschutz zu untergraben. Auch gegen das Lieferkettengesetz der EU wird u. a. mit dem Argument von »zu viel Bürokratie« ins Feld gezogen. Und diese Bundesregierung ist erklärtermaßen bereit, den Forderungen aus der Wirtschaft nachzukommen, wohl wissend, dass die tatsächlich wachsende Bürokratie in Wirtschaft und Landwirtschaft hierzulande zu einem großen Teil durch Gesetze und Verordnungen der EU verursacht wird, auf welche diese Regierung keinen direkten Einfluss hat. Lieber akzeptieren und realisieren SPD, FDP und Grüne eine Aufweichung der Sozial- und Umweltstandards in diesem Land, als dass sie die eigentliche Ursache der Krise angehen, ihre fehlerhafte Russland- und Energiepolitik.