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Aus: Ausgabe vom 08.03.2024, Seite 4 / Inland
Tesla-Werk in Grünheide

Faeser will durchgreifen

Mutmaßlicher Brandanschlag in Brandenburg: Rufe nach härteren Maßnahmen gegen »Linksextremisten«
Von Mawuena Martens
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Ungewöhnlich leer: Tesla-Parkplatz in Grünheide am Mittwoch

Es werden große Geschütze aufgefahren im Nachgang des Brandes an einem Strommast in Brandenburg. In einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk hat Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Donnerstag gefordert, dass der Generalbundesanwalt in Karlsruhe die Ermittlungen aufnehmen solle. Unbekannte hatten am Dienstag morgen ein Feuer an einem Hochspannungsmast im Landkreis Oder-Spree gelegt. Dies führte zu Stromausfällen in mehreren Gemeinden sowie im Tesla-Werk in Grünheide.

Die »Vulkangruppe Tesla stoppen!« hatte gleichtags ein Bekennerschreiben veröffentlicht. »Sie sitzt offensichtlich in Berlin und agiert von dort aus bundesweit, möglicherweise international«, behauptete Stübgen nun gegenüber dem Sender. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) teilte mit, dass Ermittlungen wegen verfassungsfeindlicher Sabotage, Störung öffentlicher Betriebe und Brandstiftung liefen. Der Generalbundesanwalt sei über das Verfahren unterrichtet und werde entscheiden, ob er das Ermittlungsverfahren an sich zieht.

Noch am Tag des Brandes hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die Tat als »Form von Terrorismus« eingestuft. Und das Gros derjenigen Politiker, die sich äußerten, war sich schnell einig darin, dass ein »gefährlicher Linksextremismus« am Werke gewesen sein muss. War zuerst von einem Produktionsausfall von mehreren Tagen die Rede, gab eine Sprecherin von Tesla am Mittwoch abend bekannt, dass die Fabrik noch bis zum Ende der nächsten Woche ohne Strom sein werde.

Schon in den vergangenen Jahren waren nach Sabotageakten auf Infrastruktur Bekennerschreiben aufgetaucht, die von einer »Vulkangruppe« unterzeichnet worden waren. Weiter ist eine solche Gruppierung jedoch, sollte es sie denn geben, nicht in Erscheinung getreten. Die Polizei hat das Bekennerschreiben mittlerweile als »authentisch« eingestuft, ein Ermittlungsergebnis steht jedoch noch aus. Linke Umweltschutzgruppen, die vor einer Woche einen Forst neben dem Tesla-Werk besetzt hatten, um gegen den Ausbau des Werks und die Folgen für Mensch und Umwelt zu protestieren, distanzierten sich noch am selben Tag von der Tat.

Dennoch warnte Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer am Donnerstag gar vor einer Radikalisierung des »Linksextremismus«. Die Hemmschwelle zum Einsatz von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung sinke immer mehr. Seien zuvor nur SUV-Reifen zerstochen worden, würden heute »Brandanschläge gegen die kritische Infrastruktur« verübt. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stimmte in den Chor ein und forderte ein hartes Durchgreifen gegen »Linksextremisten«. »Es ist, ehrlich gesagt, für uns ein Phänomen, was wir in den letzten Jahren schon sehen, dass der Linksradikalismus härter wird, gewaltbereiter und vor solchen Aktionen nicht zurückschreckt, und da muss jetzt hart gehandelt werden.« Die Staatsanwaltschaft müsse durchgreifen, »und man muss empfindliche Strafen auch spüren.«

Unternehmensvertreter meldeten sich mit der Forderung nach mehr Sicherheit und einer Beschleunigung der Verabschiedung des Gesetzes zum Schutz wichtiger Netze und Anlagen zu Wort. Laut Bundesinnenministerium will sich das Kabinett noch in der ersten Jahreshälfte mit dem sogenannten Kritis-Dachgesetz befassen.

Wie sehr sich die Politik insbesondere in Brandenburg von großen Wirtschaftsunternehmen wie Tesla abhängig macht und ihnen den roten Teppich ausrollt, zeigte einmal mehr das Telefonat des brandenburgischen Wirtschaftsministers Jörg Steinbach mit Tesla-Chef Elon Musk am Mittwoch. Im Anschluss daran gab Steinbach zu, man sei sich hinsichtlich der erforderlichen Reaktion sofort einig gewesen. Musk habe weiter eine »solidarische Reaktion« und »konkrete vertrauensbildende Reaktionen zur Unterstützung des Unternehmens und seiner Beschäftigten eingefordert«. Tesla ist seit dem vergangenen Jahr der größte private Arbeitgeber des Landes Brandenburg.

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  • Leserbrief von Patrick Büttner aus Leipzig (8. März 2024 um 12:56 Uhr)
    Nach den ersten einschlägigen Pressemeldungen mit den konzertierten Bewertungen des Vorgangs kamen mir sofort das Celler Loch und die Strategie der Spannung in den Sinn. Die Zeit ist hier nicht weniger bleiern, als damals in Italien.
  • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (8. März 2024 um 08:31 Uhr)
    Wie war das doch gleich: Extremismus = Rechtsextremismus! Und Linksextremismus? Den gibt’s doch gar nicht! - Na klar, es gab auch in diesem Fall sofort Vermutungen, Rechtsextremisten hätten das »Bekennerschreiben« bei Indymedia eingeschleust. Aber: Glaube doch niemand, bei Indymedia wäre man nicht schlau genug, um derartiges zu erkennen und auszusortieren! – Bei aller Schadenfreude gegenüber TESLA sei nicht vergessen, dass zehntausende Bewohner in der Region von dem Stromausfall ebenfalls betroffen waren. Aber das ist wohl nicht so erwähnenswert, oder?

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